30 Jahre Oberndorfer Karfreitag

Schweinfurt-Oberndorf, 6. April 2012. Unter den vielen Veranstaltungen zum Todestag Jesu im Dekanat Schweinfurt ragte zweifellos der 30. Oberndorfer Karfreitag heraus. Seit drei Jahrzehnten kooperieren die evangelische Kirchengemeinde Kreuzkirche und die Band „Jericho“ für dieses Gottesdienst- und Kulturprojekt. Nicht verwunderlich, dass die Kirche voll besetzt und die Erwartung entsprechend groß war.

„Jericho“ wurde 1975 in Schweinfurt gegründet. Sie bereichert nicht nur das Dekanat und hat nicht nur in der Evang.-luth. Landeskirche in Bayern über 1000 Konzertveranstaltungen begleitet, sondern von 1983 bis 2003 auch auf Kirchentagen mitgewirkt und damit „die Geschichte der Popmusik in der Kirche mitgeschrieben“ (laut Selbstdarstellung der Band: www.jericho-ev.de).

Der Abend stand unter dem Titel "flow my tears" und widmete sich schwerpunktmäßig Stücken der beiden englischen Komponisten John Dowland (1563-1626) und Henry Purcell (1659-1695). Dowland, dem elisabethanischen Zeitalter bzw. der Renaissancezeit zugehörig, war und ist bekannt für seine Werke für Laute solo und Lautenlieder. Sie gehören zu den anspruchsvollsten und ausgereiftesten Stücken für dieses Instrument und zählen heute zum festen Repertoire nahezu aller Lautenisten.

"Flow, my tears, fall from your springs!" Wohl Dowlands bekanntestes und beliebtestes Stück (1596) wurde zunächst in einer Instrumentalversion vom gebürtigen Schweinfurter Gitarristen Johannes Tappert an der Laute dargeboten, dann von der Altistin Kerstin Rosenfeldt (Bamberg), früher Sängerin der Band, jetzt gefragte Interpretin im Bereich der Kirchenmusik und ständiges Mitglied im Konzertchor des Bayerischen Rundfunks, gesungen:

„Fließt, meine Tränen, strömt aus euren Quellen, für immer verbannt: lasst mich trauern. Wo der schwarze Vogel der Nacht sein düsteres Lied singt, dort lasst mich einsam sein. Verlöscht, ihr trüben Lichter, scheint nicht mehr! Keine Nacht ist dunkel genug für jene, die verzweifelt ihr verlorenes Glück betrauern. Das Licht enthüllt nur ihre Schmach. […]“

Entsprechend düster melancholisch auch ein anderes Tränenlied Dowlands: "Go crystal tears, like to the morning showers, […] come heavy sleep, the image of true death; and close up these my weary weeping eyes" („Kommt, kristallene Tränen, wie die Regengüsse am Morgen;  komm, schwerer Schlaf, das Bild des wahren Todes, und verschließe diese meine matten, weinenden Augen“).

Henry Purcell wirkte in der Barockära und trug schon zu seinen Lebzeiten als  bester englischer Komponist den Ehrentitel „Orpheus britannicus“. Auf seinem Grabstein in der Westminster Abbey steht übrigens: “Hier liegt Henry Purcell, der dieses Leben verlassen hat und zu jener gepriesenen Stätte gegangen ist, an der allein sein Wohlklang übertroffen werden kann.“
Von 1692 stammte sein Lied "Music for a while shall all your cares beguile" (“Musik wird eine Zeitlang deine Sorgen vertreiben. Du wirst dich wundern, wie deine Schmerzen nachlassen und Schmähungen erträglich werden“). Seitens „Jericho“ wirkten ferner Gitarrist Hansi Neupert sowie Cellist Dr. Stefan Itze mit.

Bibellesungen (die drei Leidensankündigungen Jesu) und die Abendmahlsliturgie hatte Pfarrerin Christhild Grafe inne. Sparsam ging sie in diesem bewusst stillen Gottesdienst mit Wortbeiträgen um. „Wir sind eingeladen, uns auf dem Leidensweg Jesu dem Kreuzesgeschehen zu stellen und die Tränen fließen zu lassen. Es ist heilsam zu weinen. Tränen sind ein Zeichen der Hoffnung; sie bringen das Leben zurück. Unser Weg der Tränen mündet ein in die Feier des Hl. Abendmahls. Wir fühlen: Mit unseren Tränen stehen wir nicht allein da. Sondern Gott geht zusammen mit uns durch das Dunkel, bis es licht wird. Jesus will uns im Abendmahl zu einer Gemeinschaft verbinden.“

Auch die Gemeinde konnte sich mit Liedern wie „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt“ und „Kommt, wir teilen das Brot am Tisch des Herrn“ einbringen. Dezent wurde die Sakramentsfeier musikalisch untermalt mit „Sei stille dem Herrn“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy und „Gib dich zufrieden und sei stille“ von Johann Sebastian Bach.
Ein betont stiller Karfreitag! In sich gekehrt, fast wortlos ging man hernach auseinander.