Ein zweiter Christus werden

Diözesanbischof Dr. Friedhelm Hofmann predigte am Reformationstag

Diözesanbischof Dr. Friedhelm Hofmann mit Dekan Oliver Bruckmann

Schweinfurt, 31.10.2012. Seine Exzellenz ließ einige Minuten auf sich warten, aber „übervolle Straßen und Baustellen konnten mich nicht hindern, hierher zu kommen“, versicherte er hernach von der Kanzel - und dennoch blieb der Gottesdienst im 60-Minuten-Rahmen. Jedenfalls fand Diözesanbischof Dr. Friedhelm Hofmann aus Würzburg eine brechend volle St. Johannis-Kirche vor, so wie sie wohl nur an Heiligabend ausgelastet sein dürfte.

Der Bischofsauftritt war zwar keine Premiere. Schon Hofmanns Amtsvorgänger Paul-Werner Scheele soll zwei Mal in St. Johannis gepredigt haben, wie Insider anmerkten. Aber es war schon bemerkenswert, dass der Bischof spontan der persönlichen Einladung von Dekan Oliver Bruckmann gefolgt war, im traditionellen St. Johannis-Reformationsgottesdienst die Festpredigt zu halten. So bekundete der Dekan in seiner Begrüßung auch seine „große Freude und Ehre, ehrwürdiger Bischof, dass Sie ein Zeichen setzen, dass wir im Kern verbunden und gemeinsam unterwegs sind.“ Mit dem Ausdruck „Solus Christus“ („allein Christus“) erinnerte Bruckmann an das zentrale Anliegen der Reformation, nämlich Christus zu finden und sich auf ihn auszurichten: „Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Christus“ (1. Korinther 3,11). Dieser, abgebildet auf vielen Bildstöcken in der unterfränkischen Region, welche Fürstbischof Echter als Zeichen der Gegenreformation habe setzen lassen, sei doch derselbe, der uns überkonfessionell verbinde.

Am Anfang seiner mit Spannung erwarteten Predigt kam Bischof Hofmann kurz auf das Faktum der bis dato gespaltenen Christenheit zu sprechen: „Schuld, Unzulänglichkeit und Fehlverhalten unter Christen führten zur Trennung. Das müssen wir uns eingestehen. Vieles ist noch ungeklärt.“ Dann konzentrierte er sich auf sein Hauptthema „Liebe“: „Wo bleibt unsere Liebe?“ und verwies demgegenüber auf die Liebe Gottes und den Liebesaustausch in Gott selber. Dies habe Papst Benedikt XVI. klar in seiner Enzyklyka „Deus caritas est“ (2005) formuliert. Oder mit Augustinus gesprochen: ,,Wenn du die Liebe siehst, siehst du die Heiligste Dreifaltigkeit.’’ Diese innergöttliche Liebeskraft solle das Herz der Kirche verwandeln, wozu auch die Einheit im Glauben gehöre. „Die Welt soll durch die Einheit und Einigkeit der Christen zum Glauben kommen.“

Jesus habe seine Seligpreisungen der Bergpredigt (Matthäus 5,3-12) als Protest gegen eine verdorbene Gesellschaft verstanden, in der Hunger, Folter, Ungerechtigkeit usw. möglich seien, und sie gerade den im Leben zu kurz Gekommenen, sozusagen den kleinen Leuten, gewidmet. Letztlich gehe es in ihnen um das Zeugnis der Liebe. „Wir brauchen alle zusammen die Bereitschaft, uns an die Seite der Armen, der Unterdrückten und Trauernden zu stellen.“ Der Bischof forderte auf zur Akzeptanz der Gestrauchelten sowie zur Auf- und Annahme der Asylbewerber. „Haben wir genug Liebe, wenn sie ganz konkret unser Eingreifen verlangt? Das Gottesreich greift da, wo wir uns an die Bergpredigt halten.“ Jesus habe die Kunde von der Wirklichkeit der Liebe Gottes gebracht. Von daher warte die Welt auf unser Handeln. „Was hindert uns, ein zweiter Christus zu werden?“

Den kritischen Geistern unter den Kirchenbesuchern dürfte aufgefallen sein, dass Bischof Hofmann sowohl Luthers Namen als auch den Begriff „Reformation“ aussparte. Auch einen Hinweis auf die „Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, über die seit 1999 ökumenischer Konsens herrscht, klammerte er aus, obwohl er – wie betont - Luthers Lehrmeister Augustinus zitierte.

Einige evangelische Besucher vermissten an diesem Feiertag ebenfalls den „Feste-Burg“-Choral, zumal ja mit diesem auf dem Einladungsplakat geworben worden war. Immerhin wurde mit „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“ ein Lutherlied gesungen. Die Segnung der Gemeinde am Ende des Gottesdienstes überließ der Dekan dem Bischof – ein ökumenisches Zeichen und wohl zugleich Respekt vor dem Ranghöheren.