"Es wird nicht langweilig"

90 Jahre Bahnhofsmission Schweinfurt

Das Signet der Bahnhofsmissionen - in ökumenischer, violett-gelb-weißer Farbe

Schweinfurt, 22.4.2016. Premiere am 3. November 1852: Da erreichte der erste Eisenbahnzug den Stadtbahnhof Schweinfurt. Seit 1906 gibt‘s den Hauptbahnhof, aber erst 20 Jahre später, seit 1926, die dort ansässige Bahnhofsmission: Happy Birthday zum 90sten!

„Gestern die Queen, heute die Bahnhofsmission“: Einen besseren Clou konnte es zum Jubiläum gar nicht geben. So jedenfalls begann Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des Diakonischen Werkes (DW), seine Begrüßung der „illustren Runde“, das heißt der über hundert Gäste, insbesondere der Riege der Notabeln aus Kirche, Politik und Wirtschaft. Das DW Schweinfurt teilt sich mit „IN VIA“, dem Katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit Würzburg, die Geschäftsführung und Finanzierung der Bahnhofsmission.

Wie sollte es auch anders sein: Natürlich fand die Feierlichkeit in der Bahnhofshalle statt. Am Anfang stand ein ökumenischer Gottesdienst, gestaltet von Pfarrerin Christhild Grafe von der Oberndorfer Kreuzkirche und Pastoralreferent Michael Pfrang, seit Sept. letzten Jahres zwar für St. Elisabeth in Sennfeld, davor aber für St. Josef-Oberndorf zuständig. Denn der Bahnhof liegt im Einzugsgebiet des Stadtteils und der Kirchengemeinden von Oberndorf. Kurze Gebete, Bibelworte, einfühlsam-meditative und informative Texte über die Geschichte der Bahnhofsmission wechselten einander ab.

So führte Pfrang aus: Die moderne Gesellschaft liebe Tempo und Unterwegssein, doch am Rande des Weges blieben immer wieder Menschen liegen, derer sich die Bahnhofsmission annehme. Oder da gebe es Leute, die nur unterwegs seien – Fahrendes Volk, Obachlose -, und dort einen Anlaufpunkt und Gesprächspartner fänden. Außerdem hätten sich inzwischen die Zeiten geändert, da viele wegzögen und die Alten zurückließen. Diese würden Gemeinsamkeit und Hilfestellung im Stadtteilcafé der Bahnhofsmission erfahren. Auch begleite sie Menschen, die sich schwer täten, allein zu reisen, oder die Angst vorm Umsteigen hätten. Anspiele illustrierten das Geschilderte.

Komplementär dazu las Pfrin. Grafe Jesus-Worte wie „Wer dieses Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf“ oder: „Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will.“ Das Trio Spontane stimmte die inhaltlich passenden Lieder an: „Meine Zeit steht in deinen Händen“, „Kleines Senfkorn Hoffnung“ und zum Jubeltag: „Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn“.

Der zweite Teil der Feier bestand aus etlichen Grußworten. Herausgehoben seien nur drei: Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin, Sorya Lippert, dankte im Namen der Stadt für die unbürokratische Hilfe seitens der Bahnhofsmission. Sie erinnerte sich eindrucksvoll daran, dass ihre Mutter oft mit den drei Kindern, „mit Sack und Pack“, nach Italien reiste – ja sogar bis in ihre Heimat Pakistan. Der stellvertretende Landrat Peter Seifert überbrachte „den blauen Engeln von Gleis 1“ einen monetären Gruß. Und der „Hausherr“, Bahnhofsmanager Elmar Hirsch, nannte die Bahnhofsmission einen „wertvollen und verlässlichen Partner“ und wünschte sich und ihr diese Partnerschaft auch für die nächsten 90 Jahre.

Vor dem dritten Teil spielte die Veeh-Harfen-Gruppe der OBArt gekonnt zwei anrührende Stücke. Dann ließen Helmtrud Hartmann (DW) und Angelika Blenk (IN VIA Würzburg) die Geschichte der Bahnhofsmission – auch per Bild – lebendig werden: 1894 wurde die erste in Berlin gegründet mit dem Ziel, Menschen, damals überwiegend Frauen, unterwegs Schutz zu bieten: Gerade jungen Mädchen drohte Gewalt, Zwangsprostitution und Arbeitsausbeutung. Anfangs legte man noch auf strikte Wahrung der Konfessionsgrenzen Wert, doch bald erkannte man, dass ein glaubwürdiges Zeugnis nur ein gemeinsames sein könne – unabhängig von Herkunft, Kultur und Religion. Wie erwähnt, gibt es seit 1926 die Schweinfurter Dependance, aus der „ein reicher Schatz an ökumenischen Begegnungen gewachsen ist“. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Notlagen und mit ihnen die Aufgaben: So kümmerte man sich nach dem Krieg vorrangig um Heimkehrer, Flüchtlinge und Übersiedler aus Ostdeutschland. In den 60er und 70er Jahren ging es um die Betreuung von Fahrschülern, sodann um die von Nicht-Sesshaften und Arbeitslosen. Und im letzten Jahr stand der Transport von Asyl-Bewerbern in die Erstaufnahmeeinrichtung an. „Es wird nicht langweilig!“ Hartmann dankte unter Applaus den Haupt- und vielen Ehrenamtlichen.

Nach so viel klugem Input sehnte sich das Publikum förmlich nach einem seicht-witzigen Abschluss. Den machte Bauchredner Marcelini mit seinem „Hund“ Oskar. Unter anderem parodierten sie den Abba-Song „Waterloo“ auf Fränkisch: „Kloß mit Soß“. Nach diesem Wechselbad durfte endlich auf das 90-jährige Geburtstagskind angestoßen werden.