Geruchstest für die Brasilianer: Essig, Gemüse und Weißbier

Zu Besuch in Sennfeld

Sennfelder Folklore für die Brasiliendelegation: Trachtengruppe

Sennfeld, Mo. 4. Aug. 2014. Wieder mal, nach der Weinbergwanderung in Obereisenheim, durften die brasilianischen Gäste Landluft atmen, diesmal Gemüseduft: „Sie riechen förmlich das Gemüse“, schwärmte Sennfelds Bürgermeister Emil Heinemann, als er die Delegation inklusive Begleitern über die Anbaufelder am Mainbogen führte. Und es stimmte tatsächlich!

Aber von vorn: Zunächst drehte sich alles um den Geruch von frischen Gurken, vor allem von Essig. Denn der Besuch der Brasilianer im (ehemals) freien evangelischen Reichsdorf Sennfeld begann mit einer Führung in der Firma Carl Kühne KG GmbH & Co. Ausführliche, einleitende Worte sprach auf höchst eloquente und humorige Art der dortige Werksleiter Dr. Volkmar Borrass höchstpersönlich: Dieses Zweigwerk „befindet sich im ausländischen Teil von Deutschland“, nämlich in Bayern, betonte er und wies dann auf die Firmenfarben gelb-grün hin, die nur zufällig mit Brasiliens Nationalfarben identisch seien. 1845 hätten die Gebrüder Hirsch die süß-sauere Gurke erfunden, sozusagen das Kühne-Erfolgsgeheimnis bis auf den heutigen Tag.

Hier in Sennfeld, „im Speckgürtel Schweinfurts“, werden (nur) Sauerkonserven, Essig, Rote Grütze und Meerrettich produziert. Das heißt, der berühmte Kühne-Senf wird in anderen Zweigwerken, z.B. im französischen Dijon, hergestellt. Der Standort Schweinfurt-Sennfeld mit 200 ständigen Mitarbeitern und derzeit 120 zusätzlichen Saisonkräften zeichnet sich durch seine logistische Lage aus: Von hier aus lässt sich nämlich ganz Deutschland per Lkw beliefern. Dr. Borrass wies unter vielem anderen auch auf die Gesamtlagerkapazität von 50.000 bis 76.000 Paletten = Tonnen und auf die 19 Mio. Liter Essig hin, die hier pro Jahr abgefüllt werden und und und. Die Übersetzer ins Portugiesische hatten vollauf zu tun.

Alle mussten sodann aus Hygienegründen Schutzkleidung anziehen, ehe sie ins Werk hinein durften, wo leider Fotografierverbot herrschte. Laut und – wie betont – mit starken Gerüchen verbunden ging’s dort an den Fließbändern zu, wo gerade Gurken, äußerst appetitanregend, ins Glas kamen. Den am Schluss erhaltenen Präsentwerbebeutel dürfte manche/r noch am Abend geöffnet und den Inhalt probiert haben…

Emil Heinemann, seit 1996 Bürgermeister und auch Cheforganist in der evangelischen Dreieinigkeitskirche, erwartete die 13-köpfige Gruppe bereits am Plan. Er kennt Südamerika gut, vor allem Peru und Bolivien, hat er doch mit seinem Posaunenchor vor über 25 Jahren die Sennfelder Entwicklungshilfeaktion ‚Indio-Hilfe-Peru’ gegründet, die er bis heute leitet. Stolz zeigte er zu Fuß, leider nicht – wie ursprünglich geplant – per Kutschfahrt, sein „Gemüsegärtchen am Main“: eine intensive genutzte, extrem fruchtbare Fläche von 40 Hektar Land, auf der vier- bis sechs Mal im Jahr eine Ernte möglich ist: Kartoffeln, Zucchini, Weiß- und Rotkohl, Salat, Karotten – über 40 Sorten, jedes Gemüse mit seinem ureigenen Duft! Nein, die Firma Kühne wird nicht von hier beliefert, sondern diese Bio-Produkte gelangen in Hofläden und auf Märkten in der Region zum Verkauf. Aber nicht zuletzt dem Firmenstandort und vier Gewerbegebieten verdankt das Rathaus der 4500-Seelen-Gemeinde Gewerbesteuereinnahmen von über zwei Mio. Euro jährlich.

Und was erfuhren die Brasilianer noch alles? Z.B. dass Sennfeld vormals – bis nach dem II. Weltkrieg – aufgrund seiner schwefel- und eisenhaltigen Quellen Bad Sennfeld hieß. Weiter: dass Sennfeld viel für den Erhalt der Artenvielfalt gerade an den alten Main-Armen tut und dem „Biotop-Verbund ‚Sennfeld 2000’ angehört. In einem neu errichteten Info-Point, „Gemüsepavillon“ genannt, gibt’s eine interaktive Ausstellung; hier beginnt auch ein Gemüselehrpfad mit ansprechenden Schautafeln.

Allmählich, auf dem Rückweg nach Sennfeld, entwickelten alle ein natürliches Hungergefühl. Doch wie’s sich für Christen halt so gehört, gab’s zuvor noch eine Führung samt geistlichem Wort in der Dreieinigkeitskirche. Ortpfarrer Stefan Stauch versuchte es in seinem besten Englisch, musste aber feststellen, dass fast alle deutsch sprachen, zumindest mit Englisch wenig anfangen konnten. Im November wird sein Gotteshaus im schon 1094 urkundlich erwähnten Sennfeld erst 60 Jahre alt, denn leider wurde die Vorgängerkirche im letzten Krieg durch eine Luftmine zerstört.

Aber dann ging’s endlich ins „Senntrum“, ins Gemeindehaus nebenan, wo man mit einer deftig-fränkischen Brotzeit aufwartete. In Kombination mit einem gepflegten Weizenbier, das bei dem passionierten Weißbierglas-Sammler Stauch natürlich nicht fehlen durfte, ergab sich auch da eine anregende Duftmischung. Pfr. Stauch hatte sogar noch ein Bonmot auf Lager: einen Exklusivauftritt der Trachtengruppe Sennfeld mit Plan-Tanzeinlagen für die brasilianischen Gäste, die mit Knipsen gar nicht nachkamen. Das gesellige Beisammensein im Anschluss an diese Augen- und Ohrenweide wollte schier nicht enden. Verantwortlich dafür zeichnete aber diesmal ein schweres Gewitter.

Herzlicher Dank für den Allround-Event sei am Ende dem Gesamtorganisator Ralf Simmat gezollt, seines Zeichens Leiter des Ordnungsamtes und Standesbeamter im Rathaus sowie Vertrauensmann des Kirchenvorstandes. Sennfeld ist bereits für den nächsten Brasilienbesuch fest vorgemerkt.