Sechseinhalb Jahre: selbst für Obbach keine Ewigkeit

Abschiedsgottesdienst für Pfarrerin Tabea Richter

Pfarrerin Tabea Richter zieht einfach weiter - um 7.30 Uhr

Obbach, So. 24. Januar 2016. Sie war die erste Pfarrerin von Obbach. Auf der Pfarrertafel, die mit 1698 beginnt, wird sie als Nummer 17 verewigt werden. Aber sechseinhalb Jahre sind beileibe keine Ewigkeit. Private, familiäre Gründe haben Tabea Richter jetzt zum Wechsel veranlasst. Noch hat sie fast 30 Dienstjahre vor sich!

Praktisch aus allen Reden an diesem Abschiedsnachmittag klang darum tiefes Bedauern heraus, eine so talentierte Pfarrerin so früh hergeben zu müssen. Noch dazu dass sie von Unter- nach Mittelfranken geht, leuchtete vielen nicht so recht ein. Außerdem ist doch der Name Obbach kein solcher Zungenbrecher wie Richters neue Adresse in Schornweisach-Vestenbergsgreuth. Tatsächlich brachte kaum einer diese Ortschaftsnamen korrekt über die Lippen. Vielleicht übte ihre Aussprache sogar der für Pfarrerin Richter nunmehr zuständige, im Dekanat Markt Einersheim auch neue Dekan Ivo Huber fleißig mit. Jedenfalls war er eigens gekommen und hatte sich still und heimlich unter die Gemeinde gemischt.

Überhaupt wurde alles, was nur möglich war, zu diesem Entpflichtungsgottesdienst aufgeboten – allein schon musikalisch neben der Orgel der Ökumenische Kirchenchor, die Flöten- und die Posaunengruppe. Und dann noch als Überraschung der Auftritt des MGV Sängerlust 1920 Sömmersdorf mit dem Unterfrankenlied und dem Beatle-Song „Yesterday“.

Noch einmal bestieg Pfrin. Richter die Kanzel und predigte über das Paulus-Wort „Wisst ihr nicht, dass die, so in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer (nur) empfängt den Siegespreis. Lauft so, dass ihr ihn erlangt“ (1. Korinther 9,24ff.): Beim üblichen Lauf- und Krafttraining nehme sich keiner vor zu verlieren. Doch im Glauben müssten wir niemand überholen. Denn wir seien schon längst Sieger. Mit seinem Weg des Leidens habe nämlich Jesus für uns das Rennen gemacht. „Er leidet mit uns, weil er selbst gelitten hat.“ Das Ziel, in der Ewigkeit bei Gott anzukommen, stehe darum im Hier und Jetzt längst fest. Jesus geht mit uns „und er ist schon dort.“ Wichtig sei es aber, sich derweil immer neu zu fragen: Was kann ich für andere tun? Wie bringe ich mich ein? Im Glauben zu leben bedeute eben, aufmerksam nach rechts und links zu schauen. Abschließend bat die Pfarrerin die Gemeinde um Vergebung für eventuelle Fehler. „Wir machen nicht alles richtig. Auch ich bin nicht perfekt.“ Morgen um 7.30 Uhr gehe ihr Weg definitiv weiter.

Der für Frau Richter noch zuständige Dekan Oliver Bruckmann, der sie von den Aufgaben in Obbach formell entpflichtete und segnete, resümierte etliche ihrer Leistungen und sparte nicht an Superlativen: „eine Baupfarrerin“ (wegen der Kircheninnenrenovierung), „Dekanatsbeauftragte für volksmissionarische Dienste“, „eine Pfarrerin für alle Fälle“, „eine fleißige, treue Pfarrerin verlässt uns.“ Freilich – so der Dekan – sei das Wichtigste ihre alltägliche Arbeit gewesen, „wo das meiste eben nicht vor Augen liegt“, etwa ihre vielen Hausbesuche, Seelsorge, Schulunterricht oder die Vakanzaushilfe in Poppenlauer. „Dass Sie jetzt weiterziehen, ist schade.“

KV-Mitglied Bernd Lemmerich, dessen Moderation angesichts seiner persönlichen Betroffenheit, aber auch wegen der Vielzahl von Grußworten mehrfach ins Trudeln geriet, korrigierte postwendend den Dekan: „Wir haben sehr wohl das Kleine gesehen. Das Kleine ist das Große!“

Als Kirchenpatronin, deren Schloss direkt neben der Kirche steht, war es für Ruth Schäfer ein Herzensbedürfnis, das große Engagement der Pfarrerin für Kirche und Jugendliche zu betonen; auch dachte sie mit Dank an ihre Mit-Ausrichtung der 1200-Jahr-Feier Obbachs im Jahr 2013 zurück (s. https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/auf-der-dorfstrasse-unterwegs).

Landessynodale Renate Käser gab persönliche Reminiszenzen zum Besten, etwa wie Pfrin. Richter im Talar ins Klassenzimmer kam oder ihre Partnerschaftsbegegnungseinsätze in der Brasilienarbeit. Vor allem sei und bleibe sie eine Landpfarrerin mit Herz. Im Namen der PfarrerInnenschaft wünschte ihr Senior Pfr. Dr. Wolfgang Weich ein segensreiches Wirken in den neuen Gemeinden. „Es ist immer eine Freude, dir zu begegnen.“

Der katholische Kollege aus Wasserlosen, Pfr. Christoph Dörringer, erinnerte an die gemeinsame Begeisterung für Christus und die von Richter mit gegründete ökumenische Band „Ecclesia“. Der Erste Bürgermeister der Gemeinde Euerbach Arthur Arnold betonte die „ausschließlich sehr angenehmen Begegnungen“ mit der Pfarrerin, auch wenn es die eine oder andere Diskussion gegeben habe. Nun gehe eine sehr gute Wegbegleiterin, „doch wir sind hier verwurzelt. Wir wissen, was wir hier haben, und bleiben.“ Die Kirchengemeinde Obbach sei auf jeden Fall „zukunftsfähig“.

Schließlich zeichnete KV-Vertrauensfrau Elisabeth Baum nochmals und noch detaillierter als ihre VorrednerInnen das Wirken der Pfarrerin in Obbach und in 15 Dörfern der Umgebung nach. Doch ob nun die von Pfarrerin Richter durchgeführte Neugestaltung der Treppenanlage und des Umgriffs oder ihre Hartnäckigkeit gegenüber dem Bürgermeister in Bezug auf Kirchengrundstücksgrenzen in die ewigen Annalen eingehen wird, bleibt fraglich.

Jedenfalls zählte am Ende nur ihr persönlicher Dank. Jede und jeder diene halt auf ihre/seine Weise mit ihren/seinen Gaben. Es sei eine gute evangelische Tradition, das Evangelium auf verschiedene Weise zu predigen. Außerdem skizzierte sie heiter in einem kleinen Anspiel, mit umgehängter Badetasche, den bevorstehenden Umzug mit Mann und Sohn Jannis, und zwar nochmals betont - so als ob sie's selbst nicht für möglich hielte – „morgen um 7.30 Uhr: Der Pfarrer geht, die Gemeinde bleibt.“

Am 14. Februar wird Pfarrerin Richter in Schornweisach installiert. Sicher fahren etliche Obbacher hin und proben derweil schon mal die Aussprache des Ortsnamens.

 

Hier noch Ausschnitte aus einem Presseartikel: "Die Pfarrerin zieht weiter":

Die Umzugskartons im Büro von Pfarrerin Tabea Richter zeigen, dass eine Veränderung bevorsteht: Die 38-Jährige verlässt mit ihrer Familie nach sechseinhalb Jahren die Pfarrstelle mit ihren 15 Dörfern, um ab 1. Februar ihren Dienst im mittelfränkischen Schornweisach-Vestenbergsgreuth, im evangelischen Kernland, fortzuführen. [...]

Sie wollte und will auch künftig Dorfpfarrerin sein. „Da schlägt mein Herz, da lässt man sich auf die Menschen ein.“ Weil sie auf ihrem „lebenslangen Lernweg“ als Pfarrerin weiterziehen müsse – für die eigene Entwicklung und die der jeweiligen Kirchengemeinde – gehe sie jetzt, „wenn's am schönsten ist“. Ihre Familie fühle sich hier wohl, sie werde anerkannt. Aber ihr Sohn werde in diesem Jahr eingeschult, weshalb sie sich jetzt für die Veränderung entschieden habe.

Die 1300 evangelischen Christen in ihrer Pfarrstelle, verteilt auf die drei politischen Gemeinden Euerbach, Wasserlosen und Poppenhausen, hatten Tabea Richter nach eineinhalbjähriger Vakanzzeit im Herbst 2009 sehnlichst erwartet. Als „z. A.“, zur Anstellung, nahm sie zunächst die Stelle wahr, im März 2012 wurde sie installiert.

Gleich am Anfang wurde sie mit Bauprojekten konfrontiert. „Da kamen Mahnbescheide für die Tankanlagen“, erinnert sie sich. Dann war der Bau der Kleinkindgruppe im evangelisch-lutherischen Kindergarten an der Reihe und schließlich das Großprojekt der Innensanierung der Kirche von Mai 2013 bis April 2014. Pfarrerin Richter lernte Anträge zu schreiben, Zuschüsse zu klären, Bauausschreibungen zu verstehen oder bei Leistungsverzeichnissen zu sparen. „Im gegenseitigen Vertrauen“, gerade auch mit der politischen Gemeinde Euerbach, hätten alle Projekte bewältigt werden können. „Aber das geht nur mit der Kirchengemeinde“, unterstreicht sie.

Ihr gestecktes Ziel des „Miteinander gehen“ hat sie erreicht. Da wurden gemeinsam der Putz in der Kirche abgeschlagen, die schweren Kirchenbänke transportiert oder Holzbalken bearbeitet. Mittlerweile weiß die 38-Jährige auch, dass es beim Miteinander ist „wie beim Volk Israel: Gemeinsam geht man langsamer, aber alle gehen mit“.

Etliche Gruppen hat die „patente und unerschrockene Pfarrerin“, so nannte sie Schweinfurts Dekan Oliver Bruckmann, mitgegründet – „es geht immer nur mit vielen Aktiven“: die Sockenbande für Fünf- bis Zehnjährige, das ökumenische Frauenfrühstück in Kützberg, die Kirchenband Ecclesia, die gemeinsamen „Sing and Pray“-Gottesdienste mit Wasserlosens katholischen Pfarrer Christoph Dörringer, die ökumenischen Sternsinger. Beim ökumenischen Chor, dessen Finanzierung nun steht, singt sie mit, auch beim Posaunenchor ist sie dabei. Viel gelernt habe sie auch durch den Unterricht an der Mittelschule Poppenhausen.

„Es ist zwar nicht immer alles gelungen“, blickt Tabea Richter zurück. „Aber man muss es versuchen.“ Ihre Gemeinde kann sie angesichts vieler tatkräftiger Mitglieder und Helfer gut versorgt zurücklassen. […]

(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 16. Jan. 2016, S. 32; Text: Silvia Eidel)

 

Und zwecks Erinnerung noch drei interessante Links:

- Verabschiedung von Pfr. Brändlein am 24.03.2008: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/verabschiedung-von-pfr-wol...

- Einführung von Pfrin. z. A. Richter am 18.10.2009: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/mit-pauken-und-trompeten-d...

- Ihre Einführung als Pfarrerin am 25.03.2012: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/das-kuerzel-z-ist-weg