Siebenbürgen-Report (4)

Pfarrkonvent des Dekanats Schweinfurt in Siebenbürgen

Dekan Klöss-Schuster verschafft sich Einlass in sein Elternhaus

Dieser 4. Teil des Reiseberichtes der Pfarrerinnen- und Pfarrergruppe des Dekanats Schweinfurt handelt von zwei weiteren Stationen im Rahmen der Busrundfahrt zu Kirchenburgen im Siebenbürgischen Becken.

Von den ersten beiden Stopps in Mediasch und Birthälm handelte Teil 3, nachzulesen unter: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/siebenbuergen-report-3

Dritter Stopp: Schäßburg (rum.: Sighişoara)

Schäßburg, abzuleiten von Castrum sex, war einst die sechste der sieben Sachsenburgen im Lande. Lernkontrolle für die Pfarrerinnen und Pfarrer: Noch einmal lässt sich hier dasselbe Muster er­kennen: eine Unterstadt und eine Burg- bzw. Oberstadt. Der eigentliche historische (Alt-)Stadtkern, ebenfalls Weltkulturerbe, liegt ganz oben, - innerhalb von Toren, durch die kein Bus hindurchpasst und wo sich Touristen aus aller Welt begegnen.

Also wieder Aufstieg zu Fuß zum Burgplatz und von da weiter, wieder eine überdachte, steile Treppe hoch, diesmal 175 Stufen. Sie wird Schülertreppe genannt, weil sich innerhalb der Kirchenburg bis heute Schule und Gymnasium befinden. Die Bergkirche: wieder eine dreischiffige Hallenkirche mit gotischem Chor und Resten von Wandmalereien. Neu hier nur die Krypta aus dem 12. Jh. - angeblich die einzig erhaltene in Siebenbürgen. In der Kirche sind gleich einige Flügelaltä­re zu sehen: Sie stammen aus Gotteshäusern der Umgebung, deren Schutz dort nicht mehr zu gewährleisten ist. Einer – der Martinsaltar – befand sich im Dominikanerkloster von Schäßburg. Der Orden wurde im Gefolge der Reformation aufgelöst, die Gebäude säkularisiert, die Mönche fanden auf Stadtkosten Asyl.

Hingegen sei der eigene Originalaltar von den Russen „stibitzt“ worden, erklärt der Führer. So ist die gut gesicherte Bergkirche zu einem Altarmuseum mutiert. Nur am letzten Sonntag des Monats findet hier noch Gottesdienst statt – und dies auch nur in den Sommermonaten.

Und wieder prekäre, ernüchternde Zahleninformationen: Unmittelbar nach der „Wende“, zwischen Januar und Juni 1990, seien 1380 von 2600 Sachsen aus Schäßburg „verschwunden“, d.h. ausgewandert. In unmittelbarer Umgebung gebe es 38 verlassene sächsische Dörfer. Schäßburg mit 32.000 Einwohnern hat jetzt nur noch 497 evangelische Kirchenmitglieder! 2016 verzeichnete das Kasualienbuch fünf Taufen, drei Trauungen und 23 Begräbnisse, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres lediglich acht Beer­digungen.

Gerne hätte mancher auch noch etwas Erheiterndes, z.B. zu Dracula erfahren, denn Fürst Vlad III. Drăcu­lea soll 1431 in Schäßburg geboren sein und als Kind in der Stadt gelebt haben. Der Beiname Drăculea, dt. „Sohn des Drachen“ bzw. „kleiner Drache“, soll sich von der Mitgliedschaft seines Vaters im Drachenorden, der gegen die Osmanen kämpfte, herleiten. Aber dies ist in Theologenkreisen leider nur eine Marginalie – weil Themaverfehlung – wert.

Letzter Stopp: Kastenholz (rum.: CaÅŸolt)

Durch reizvolle Landschaft, das Harbachtal, einem Nebenfluss des Zibin (siehe bei Sibiu!) - wir befinden uns genau in der Mitte Rumäniens! -, freilich auf einer für Busse eher ungeeigneten engen, holprigen Verbindungsstraße zwischen Schäßburg und Hermannstadt, geht es retour. Mehrfach kann man Rut­schungshügel erkennen, sog. Büchel, d.h. für Siebenbürgen typische kuppenförmige Buckel, z.T. in Grabhügelform, zwischen zehn und fünfzig Meter hoch. Für sie soll ein Riese verantwortlich zeich­nen, der bei seiner Wanderung mehrfach die mit Sand gefüllten Stiefel ausleerte.

Der Tag hat sich geneiget, die Sonne ist am Untergehen, als der Bus jäh von der Hauptstraße abbiegt und schleichwegartig Kastenholz erreicht, das nur in ganz speziellen Reiseführern genannt wird. Aber für De­kan Klöss-Schuster sind es nostalgische Erinnerungen pur, an denen er die Gruppe teilhaben lassen möchte. Denn er stammt aus diesem Dorf, das urkundlich 1302 erstmals Erwähnung fand, wurde hier getauft und konfirmiert, besuchte die Grundschule.

Das neue Roma-(Zigeuner)-Viertel mit festen, modernen Häusern am Ortsrand kennt er selbst noch nicht. Hingegen sind ihm natürlich das rumänisch-orthodoxe und das ehedem deutsche Viertel vertraut, dessen meisten Häuser leer stehen. Angeblich sollen noch zwei evangelische Brüder irgendwo im Dorf leben. Neugierige Blicke: Die rumänischen Bewohner, die den warmen Abend, auf Bänken vor ihren Domizilen sitzend, genießen, wundern sich, dass nach sieben Jahren schon wieder ein Bus durch ihre ungeteerten Gassen fährt; ein Pferdefuhrwerk muss ihm eigens ausweichen. Bereits damals hatte nämlich Klöss-Schuster dieselbe Tour beim Dekane-Konvent unternommen. Gekonnt akroba­tisch klettert er durch ein Mauerloch in den Hof seines Elternhauses, findet aber leider keinen Schlüssel, um der Gruppe Zugang verschaffen zu können.

Vorbei an der ehemaligen Gastwirtschaft seiner Eltern geht es dann via Trampelpfad zu Fuß hinauf zu seiner Heimatkirche, eingeweiht 1809. Einmal im Jahr findet hier noch ein Gottesdienst statt. Klöss-Schuster erzählt vom einstigen blühenden Gemeindeleben, von Weihnachts- und Osterfesten seiner Kindheitstage. Selbst die Gruppe zeigt sich tief gerührt.

Den gemeinsam angestimmen Kanon „Herr, bleibe bei uns“ noch im Ohr, werden anschließend die wenigen Kilometer nach Sibiu zurückgelegt. Ankunft: 20.30 Uhr – nach fast zwölf Stunden zum Thema satt: „Kirchenburgen in Siebenbürgen“.

Fortsetzung folgt: Der letzte Teil (5) handelt von weiteren Gesprächen in Sibiu, u.a. mit dem Pfarrer der Evang. Stadtkirche und einem Vertreter der orthodoxen Kirche (https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/siebenbuergen-report-5)