Siebenbürgen-Report (5)

Pfarrkonvent des Dekanats Schweinfurt in Siebenbürgen

Mit gepackten Rucksätzen im Nobelhotel Imparatul Romanilor: Warten auf Abholung zum Flughafen (v.l.): Pfr./stellvertr. Dekan Heiko Kuschel, Pfrin. Donate Molinari, Pfr. Dr. Wolfgang Weich u. Pfrin. Gisela Bruckmann

Vom 3. bis zum 7. Juli 2017 tagte der Pfarrkonvent des Dekanats Schweinfurt in Siebenbürgen. Hier im letzten Teil des Reiseberichtes geht es um die in Sibiu/Hermannstadt am vorletzten Tag geführten Gespräche in der Evang. Stadtpfarrkirche, im Dr.-Carl-Wolff-Altenheim/Hospiz und mit einem Vertreter der rumänisch-orthodoxen Kirche:

4. TAG: Donnerstag, 6. Juli 2017: Drei letzte Gespräche in Sibiu

1. mit Pfarrer Hans-Georg Junesch von der evangelischen Stadtpfarrkirche

Der noch junge, dynamisch wirkende Pfarrer Junesch bezeichnet sich selbst als echter Siebenbürger Sachse und Volksdeutscher, weil er dageblieben ist. Für ihn sind all jene, die nach der Wende weg sind, aber inzwischen wieder Urlaub in ihren verlassenen Häusern machen, „Sommersachsen“. Denn vor­zugsweise würden sie im Sommer kommen, weil viele Heimatfeste im August gefeiert werden. Ju­nesch hat die zweite von drei Pfarrstellen an der Stadtpfarrkirche inne. Mit 1200 Gliedern ist es die größte Gemeinde der Landeskirche; an die 40 Mitarbeitende sind hier beschäftigt. Juneschs Arbeits­schwerpunkte sind Jugendarbeit, Friedhof, Religionsunterricht. Er stellt der Gruppe diverse Ge­meindeprojekte vor, u.a. Diakonie, geistliche Betreuung im Altenheim, Kinderbibeltage und -frei­zeiten, die „Sommerschule“ mit dem Thema „Umweltdialog“.

Junesch hat Mühe, den Besuchern die vielen verschiedenen protestantischen Ausprägungen im Land zu erklären. So gibt es neben der evang. Kirche A.B. auch die evang.-luth. Kirche, eine Kirche helvetischen und eine calvinistischen Bekenntnisses, ferner die Freikirchen und Unitarier, sprich Antitinitarier, weil sie die Lehre von der Dreieinigkeit (Vater – Sohn - Hl. Geist) ablehnen.

Zu den Orthodoxen, die fast keine Kinder- und Jugendarbeit anbieten, unterhalte man freundschaft­liche, aber unverbindliche Beziehungen. Konstruktive Zusammenarbeit gebe es nicht (s.o. Mediasch).

Wie Professorin Klein (s.o.) auf das Gehalt angesprochen, antwortet Junesch zurückhaltend: Da die Kirchengemeinden selbst­ständig seien, werde es mit ihnen individuell verhandelt.

Anschließend dürfen die PfarrerInnen noch einen Blick in die dreischiffige Stadtpfarrkirche werfen, deren Westturm die höchste Erhebung von Hermannstadt ist. Nach der Reformation wurden in der ehemaligen Marienkirche (1320-1520) 24 Seitenaltäre beseitigt und die Maria-Darstellungen auf den Wandmalereien überpinselt. In einem separaten Raum sind die Grabsteine berühmter Personen Sie­benbürgens aus dem 16. bis 18. Jh. zu sehen.

 

2. mit Ortrun Rhein im Dr. Carl Wolff-Heim

Der Weg führt vom höchsten Punkt der Oberstadt eine der vielen Treppen hinunter in die Unter­stadt, quer über den farbenprächtigen Stadtmarkt, in eine ruhige Wohngegend zum Dr.-Carl-Wolff-Heim.

Wer war Carl Wolff (1849-1929), dessen Name am Gebäude und dessen Büste im Foyer steht?

Der gebürtige Schäßburger leitete ab 1874 das neu gegründete „Siebenbürgisch-Deutsche Tagesblatt“. Außerdem war er Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkasse und Gründer der Raiffeisen-Genossenschaft. Zu seinen Verdiensten zählen die politische „Versöhnung“ der Sachsen mit den Ungarn, um die sächsischen Rechte trotz Magyarisierunspolitik zu erhalten, sowie die finanzielle Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen. Aufgrund dieser seiner „sozialen Ader“ wurde das aus Mitteln des deutschen Bundesinnenministeriums 1994/95 errichtete Alten- und Pflegeheim nach ihm benannt.

Ortrun Rhein informiert die Gruppe umfassend. Sie ist von Haus aus Theologin, Kindergärtnerin, Lehrerin, hatte bereits das SOS-Kinderdorf im Siebenbürgischen Heltau geleitet und ist nun Direktorin des Dr.-Carl-Wolff-Heims (mehr über sie: http://www.hermannstaedter.ro/?p=7817).

Es habe etliche Widerstände zu überwinden gekostet, führt sie aus, dieses 106-Betten-Haus zu eta­blieren, denn es war zunächst kein geliebtes Kind der Landeskirche. Nach der Wende und – in ihrem Gefolge – der Auswanderungswelle seien Gemeinden und Pfarrer weniger geworden. Wer aber sollte sich um die Älteren, die Zurückgebliebenen, die nicht Ausgewanderten und Alleinstehen­den kümmern?

Die medizinische Versorgung in Rumänien sei problematisch. In Städten komme auf 350 Patienten ein Arzt, auf dem Land müssen sich 1200 einen Doktor teilen. Außerdem gelte in vielen Köpfen Altersdemenz noch als Strafe. Dafür dass diese Einrich­tung „schrittweise zu einem Lebensraum“ wurde, habe sie daher viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Das Heim ist allmählich zu einer „Festigungsinstitution“ für die nunmehr deutsche Minderheit geworden. Längst beherbergt es aber auch BewohnerInnen aus nicht-deutschem Umfeld, über­haupt aus allen Gesellschaftsschichten. An der Morgenandacht nehmen 25 bis 30 Leute teil, wobei Lieder auch in ungarischer und rumänischer Sprache gesungen werden.

Das Altenheim beschäftigt einen eigenen Hausarzt, der immer erreichbar ist. Die Mitarbeitenden werden professionell in Altenpflege durch die Stiftung Bethel/Bielefeld ausgebildet, auch wenn dann leider immer wieder so Qualifizierte „abspringen“ und in private Kliniken wechseln. Doch sei die Arbeit im Dr.-Carl-Wolff-Haus in keinster Weise kompatibel mit dem staatlichen Gesundheitssystem, betont die Leiterin: „Wir machen hundert Mal mehr als jedes Krankenhaus“. In den 23 Jahren seines Bestehens zählte es insgesamt (nur) 400 BewohnerInnen; drei aus der ersten Stunde sind immer noch mit dabei.

Aber Frau Rhein, eine engagierte, energische, hartnäckige, „richtige Powerfrau aus Überzeugung“ (so Dekan Bruckmann) hat sich damit noch lange nicht begnügt: Eine kleine Intensiv-/Palliativstation wurde hinzugefügt. Schmerztherapie wird großgeschrieben.

Ferner hat Frau Rhein in Kooperation mit dem Diakonischen Werk der EKD ein Hospiz mit 14 Betten ins Leben gerufen. In den zehn Jahren seines Bestehens konnten hier – sage und schreibe! - 1700 Patienten in Würde und schmerzlos sterben. „Krebs tut weh“, sagt sie. In den städtischen Wohnblocks mit ihren dünnen Wänden könnten Kranke im Endstadium nicht gepflegt werden. Dort wäre die Lärmbelästigung zu groß.

Und last but not least ist ein Kinderhospiz mit zehn Betten hinzugekommen, - das erste seiner Art in Rumänien! Doch die Krankenkassen übernehmen nicht einmal 30% der Pflegekosten. Manche der Kinder sind Sozialwaisen – zurückgelassen von den Auswanderern oder einfach abgeschoben. Frau Rhein, die auch Sterbebegleiterin ist, schildert beeindruckende Schicksale, die unter die Haut gehen. „Sie wollen noch nicht gehen (= sterben)!“

Nur die Hartgesottenen haben danach keine Tränen in den Augen. So gilt es am Ende des Besuches nicht nur das Herz und die Lippen zur Fürbitte, sondern auch konkret den Geldbeutel zu öffnen, um diese segensreiche Arbeit tatkräftig zu fördern.

Weiteres zur Institution: http://www.carlwolff.ro/index.php?lang=de

 

3. mit Pfarrer Professor Dr. Aurel Pavel von der orthodoxen Kirche

Die letzte offizielle Station des Auslandspfarrkonventes bildet am Donnerstagnachmittag die Begegnung mit einem Vertreter der orthodoxen Mehrheitskirche.

Erst 1861 wurde die Metropolie der rumänisch-orthodoxen Kirche in Sibiu gegründet. Zu einem Gespräch, zunächst draußen im Freien, hat sich Professor Aurel Pavel, Prodekan der Orthodoxen Theologischen Fakultät Andrei Saguna der Universitatea „Lucian Blaga“ din Sibiu, und Priester sei­ner Kirche, bereiterklärt. Er skizziert die Geschichte der Orthodoxie, beginnend mit Kaiser Konstan­tin dem Großen, der die Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel (später: Byzanz) verlegte. Mehr­fach betont er, dass der Patriarch von Konstantinopel zwar Oberhaupt der orthodoxen Kirche, aber letztlich nur primus inter pares sei. Die Kirchen seien autokephal, folglich auch die rumänisch-orthodoxe selbstständig.

Der Metropolie gegenüber befindet sich die Hauptkirche der orthodox-gläubigen Siebenbürger, weithin erkenn­bar an ihren Kuppeln und den zwei Glockentürmen. Pavel führt aus, dass sie seit 1918 die ökumeni­sche Kathedrale für die drei mit dem Mutterland Rumänien vereinigten Landesteile Bessa­rabien, Bu­kowina und Trans­silvanien sei.

Wer Gold und etwas Pomp – bereits vom Hotel „Imparatul Romanilor’’ verwöhnt – liebt, mag diese erst etwas mehr als 100 Jahre alte orthodoxe Kathedrale, nach byzantinischem Stil er­baut (1902-04), eine „vereinfachte Replik der Hagia Sophia von Konstantinopel“ (so stehtʼs in einem Reise­führer), gerne innen besichtigen: Sie ist der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Ihre bunten neobyzantini­schen, eher Jugendstil-Mosaiken wurden in München hergestellt. Pavel öffnet die Ikonostase und lässt die Gruppe einen Blick auf den schmucken Altar erhaschen. Das Älteste in dieser Kirche, freilich wissenschaftlich höchst fraglich, sind einige hoch verehrte Reliquien, unter anderem Splitter vom Kreuz Jesu.

„Laudates omnes gentes“: Prof. Pavel gestattet, dass sich die Gruppe im Kreis aufstellt und dieses Taizé-Lied im Kirchenrund anstimmt. Draußen vor der Kirchentreppe bildet sie abermals einen Kreis, um den beiden Organisatoren, Dekan Klöss-Schuster und Dekan Bruckmann, am Ende der gelungenen Reise offiziell unter tosendem Applaus zu danken.

 

5. TAG: Freitag, 7. Juli 2017: Zurück nach Hause

Am nächsten Morgen ist noch bis 11.00 Uhr Shopping möglich. Dann stehen in der Seitengasse ausreichend georderte Taxis für den Rücktransfer zum Flughafen von Sibiu bereit – Abschied somit auch von Billa, Kaufland und Penny. Über die schleppende Pass- und Personenkontrolle wundert sich keine/r. Bloß Heimkommen lautet die Devise. Und dies gelingt denn auch tatsächlich jedem/r.

Ach ja, es gäbe noch so viel zu berichten über die fünf Dienst-Tage in Siebenbürgen, etwa über gehör­te Redensarten wie „Du machst mich katholisch“ im Sinne von „Du machst mich nervös“ oder über die siebenbürgische Küche, beispielsweise über die Leib- und Magenspeise „evangelischer Speck“: geräucherter Speck samt Zwiebeln durch den Fleischwolf gedreht.

In nachhaltiger Erinnerung dürfte aber ein Eintrag im Gästebuch der Margarethenkirche von Mediasch bleiben: „Wie viele Jahre noch?“ Wird etwa Deutsch „zur Sprache der Grabsteine werden“ (Wolf Oschlies)?

Text und Fotos aller fünf Teile: Dr. Siegfried Bergler