Wolkenbruch und Sonnenschein

oder: Vom Bürgerheim zum Seniorenzentrum in 100 Jahren

"Seniorenzentrum": Neues Eingangsschild für schon langjährige Bewohner/innen

Schweinfurt, Sa., 13. Mai 2017. Ein zwischenzeitlicher Wolkenbruch, der sich genau zu Beginn des Festaktes entlud, tat der Stimmung keinen Abbruch. In einem Zelt im Garten des Wilhelm-Löhe-Hauses konnte Diakoniewerk-Vorstand Jochen Keßler-Rosa viele Gäste aus Kirche, Politik und Gesellschaft namentlich begrüßen: „Doch die wichtigsten Gäste sind die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Hauses.“ Einige saßen tatsächlich mit im Zelt und atmeten vielleicht endlich auf.

Denn zwanzig Monate hatte die umfangreiche, kostenintensive – Keßler-Rosa sprach von fünf Mio. Euro – und bestimmt nicht geräuschlose Modernisierungsphase gedauert, zumal sie bei weiterlaufendem Betrieb erfolgte. Eine große Herausforderung für das Architekturbüro Göger/Schonungen! Aber dafür nennt sich nun das auch äußerlich neu gestylte Heim „Seniorenzentrum“. Dies war das eine, das es an diesem Samstag zu feiern galt.

Das andere war das 100-jährige Jubiläum stationäre Altenhilfe in Schweinfurt: 1917 wurde der „Verein Evang. Gemeindefürsorge“ gegründet, der in der Neutor-Straße Nr. 14 Altenwohnungen erwarb, fortan „Bürgerheim“ genannt. Bald kamen nahebei ein evangelisches Schülerheim und eine Frauen-Arbeitsschule hinzu sowie ein Heim für die Gemeindeschwestern: Neuendettelsauer Diakonissen. All dies fiel jedoch 1943/44 dem Bombenkrieg zum Opfer. Erst 1960 entstand – fast am alten Ort – ein Altenheim, das den Namen Wilhelm-Löhe-Haus erhielt. Namenspatron Pfarrer Wilhelm Löhe (1808-1872), der die Diakonie Neuendettelsau ins Leben gerufen hatte, gilt bekanntlich als der fränkische Diakonissenvater schlechthin.

Pfr. Keßler-Rosa konnte zwar keine Festschrift präsentieren, aber immerhin auf 21 im Haus aufgestellte Schautaufeln zur Geschichte verweisen, die neben Dekan Oliver Bruckmann Pfr. i. R. Dieter Schorn federführend recherchiert hatte.

Die Festansprache hielt DW-Verwaltungsratvorsitzender Klaus Eckhardt: „Welch ein Segen, dass es das Löhe-Haus gibt“ - und zwar vorrangig ein Segen für alle Bewohner, ihre Angehörigen, für die Mitarbeitenden und für ganz Schweinfurt, denn das Wilhelm-Löhe-Haus sei zweifelsohne „ein unverwechselbarer Baustein im Gefüge der Stadt“. In höchsten Tönen pries er das „traditionsreiche Haus“, hervorgegangen aus einer „Entwicklungswerkstatt der Diakonie“, das nunmehr „eine moderne Bleibe auf der Höhe der Zeit“ biete, und verwies auf den intensiven Personaleinsatz und „Bestnoten in allen Kategorien“. Am Ende rührte Eckhardt gar die Werbetrommel: „Im Löhe-Haus sind Sie willkommen und sehr gut aufgehoben.“

Als einzig zugelassener Grußredner überbrachte Schweinfurts OB Sebastian Remelé Worte der Wertschätzung, Anerkennung und des Dankes. Er rekurrierte auf das Gründungsdatum 1917 und schlug einen Zeitbogen von diesem vorletzten Kriegs- und Hungerjahr zur Gegenwart: Damals habe es nur eine Fürsorgeschwester für zehn Bewohner gegeben, heute 124 Pflegekräfte für die 138 HausbewohnerInnen. Damals hätten nur wenige Menschen das Rentenalter erreicht oder - falls doch - es keine fünf Jahre überlebt. Heute aber beginne erst mit 65 Jahren ein neuer Lebensabschnitt. Von daher sei das Wilhelm-Löhe-Haus „eine wichtige Einrichtung der Daseinsfürsorge“.

„100 gute Gründe“ soll es für das Wilhelm-Löhe-Haus geben. So die Reklame. Laut Pfr. Keßler-Rosa hat man es auf bisher 58 gebracht. Darum animierte er dazu, weitere Gründe zu notieren, um die Zahl hundert zu erreichen. Zugleich lud er zu kostenloser Verköstigung und gruppenweise zum Hausrundgang ein. Diese Führungen waren bemerkenswert frequentiert. Die auffallend fachkundigen Fragen des Publikums verrieten eigenes Interesse bzw. das ihrer Angehörigen an einer Unterbringung im Seniorenzentrum in absehbarer Zeit, zumindest als Tagespflegegast, was Pflegedienstleiterin Christiane Schmitt den „Einstieg ins Heim zur Dauerpflege“ nannte. Inzwischen zeigte sich über dem Gebäudeensemble ein wolkenloser, strahlend blauer Himmel.