Die Pforten der Hölle können uns nicht überwinden

70 Jahre Diakonisches Werk Schweinfurt e. V.

Voller Geburtstagsfreude: DW-Vorstand Pfarrer Jochen Keßler-Rosa begrüßt die geladenen Gäste.

Schweinfurt, Sa. 24. Nov. 2018. Stolz präsentierte Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des DW Schweinfurt, ein altes Protokollbuch einer Pfarrkonferenz mit Eintrag vom 1.12.1948, dass ein Verein „Innere Mission des Evang.-Luth. Kirchenbezirks Schweinfurt“ gegründet worden sei. Daraus ging dann das Diakonische Werk Schweinfurt e.V. hervor, das nunmehr im Schweinfurter Rathaus seinen 70. Geburtstag feierte, - doch dies in einem eher „familiären“ Rahmen für geladene Gäste.

Zum „Festakt“ waren neben Landrat und Oberbürgermeister gekommen: Kreistags- und Stadtratsmitglieder, Partner*innen in der Region, darunter Kirchengemeinden, repräsentiert durch ihre Pfarrer*innen und Diakone, Wohlfahrtsverbände wie Rotes Kreuz, Caritas, Johanniter, Arbeiterwohlfahrt und der Sozialdienst katholischer Frauen. Nicht zu vergessen leitende Mitarbeiter*innen der Diakonie.

Keßler-Rosa sprach der Stadt Schweinfurt seinen Dank für vielfältige Unterstützung aus; auch der Landkreis sei „genauso unsere Heimat wie die Stadt“. Oberbürgermeister Sebastian Remelé erwiderte in seinem Grußwort, dass Stadtverwaltung und Diakonie ein gemeinsames Anliegen hätten: den Dienst am Menschen. Er betonte dabei die Wurzeln der Diakonie im Protestantismus. Und da das Schweinfurter Rathaus für den Geist des Protestantismus im katholischen Umfeld stehe, sei hier auch der richtige Ort, das 70-jährige Jubiläum zu begehen. Insbesondere dankte Remelé den über 500 Ehrenamtlichen „vor und hinter den Kulissen“ der Diakonie. Angesichts einer zunehmend säkularisierenden Gesellschaft appellierte der Oberbürgermeister, den Geist der Nächstenliebe aufrechtzuerhalten. Die Diakonie dürfe kein Sozialbetrieb werden. Nur dann würden auch „die Pforten der Hölle uns nicht überwinden“ (siehe Matthäus 16,18).

In seiner Ansprache holte Dekan Oliver Bruckmann, Zweiter Vorsitzender des DW Schweinfurt, weit aus, um das diakonische Anliegen der Kirche seit ihren Uranfängen zu akzentuieren: dass für sie „christlicher Glaube ohne tätige Nächstenliebe und Fürsorge nicht denkbar“ gewesen sei. „Diakonie ist und bleibt unbedingter Teil des einen Dienstes, nämlich am Wort Gottes, von dem die Sorge um den Mitmenschen nicht zu trennen ist.“

Konkret im Blick auf Schweinfurt erinnerte Bruckmann an diverse Stiftungen und Einrichtungen weit vor 1948: (u.v.a.) an das Spital, den „gemeinen Casten“ (d.h. ein Opferkasten zur Sammlung für die Armen), an den in der Armenfürsorge tätigen ersten Frauenverein (1826), die erste Kinderbewahranstalt (1835) – und natürlich auch an Johann Hinrich Wichern, der 1849 vor Pfarrern in Zeilitzheim für die Innere Mission geworben hatte: „Die Liebe gehört mir wie der Glaube.“ Anlässlich des 400. Reformationsjubiläums 1917 sei schließlich das „Evangelische Bürgerheim“ - Vorläufer des „Wilhelm-Löhe-Hauses“ - gegründet worden.

Neben dem Rückblick wies der Dekan auf zukünftige Herausforderungen der Diakonie hin, z.B. auf private Dienste, die nicht dem christlichen Menschenbild verpflichtet seien und Führungskräfte mit guten Gehältern abwerben würden. Und „ist Roboting in der Pflege eine ergänzende Alternative?“ Sein Fazit – nochmals unter Rekurs auf die erste Kirche: „Diakonie bleibt glaubwürdig, wenn sich in all ihrem Tun und Handeln die Werte und das Menschenbild des christlichen Glaubens spiegeln.“

Den Festvortrag hielt Stefan Bergmann, Journalist und leitender Fernsehredakteur m.b.A. des Bayerischen Rundfunks i.R., zudem kirchlich engagiert, unter anderem 18 Jahre lang als Mitglied der Landessynode. Auch gehörte er dem Wahlausschuss an, der für den Modellfall erste Vesperkirche in Bayern in Schweinfurt votierte. Zunächst fragte er nach dem „Markenkern der Diakonie“ und gab mehrere Definitionen: „Diakonie ist, wenn man trotzdem hilft.“ „Diakonie ist für alle da, die [wie auch immer] arm dran sind, … Helferin in der Not, … Stimme für die Schwachen.“ „Diakonie schaut hin, stiftet Gemeinschaft, bemüht sich um Teilhabe für alle.“ „Diakonie zielt auf Heilung und Heil.“

Dann betonte und kommentierte er den Konnex Kirche – Diakonie: „Diakonie ist die ausgestreckte Hand der Kirche in die Gesellschaft“ und zitierte Bonhoeffer: „Kirche ist nur dann Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Des Weiteren: „Diakonie ist kommunizierte Kirche für den Alltag, ein ganzheitlicher Dienst in Wort und Tat“, die das Evangelium lebe; vgl. Jesu Wort: „Was ihr für einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40). Bergmann forderte aber eine noch bessere Vernetzung, denn die Diakonie sei eine der besten Werbeträger der Kirche. Zum Beispiel könnten Kirchengemeinden sie in ihre Gottesdienste und Veranstaltungen mit einbeziehen.

Bergmann plädierte für ein Modell öffentlicher, „lebensgeschichtlicher“ Diakonie in einer pluralistischen, segmentierten Gesellschaft, wo es vorrangig um die Bekämpfung von Problemen wie Altersarmut, Egoismus und Aussperrung von Minderheiten gehe. Die Diakonie dürfe den Staat nicht aus seiner sozialen Verantwortung entlassen. Auch warnte er davor, die öffentliche Wahrnehmung von Diakonie auf das Thema Migration und Flüchtlinge einengen zu wollen.

Sein Fazit: Die Diakonie als „Spitzenanbieter“ müsse auch künftig authentisch christlich bleiben und so viel Zeit wie möglich für bedürftige Menschen aufbringen. "Wie Kirche wahrgenommen wird, hängt von der Arbeit der Diakonie ab.“ Mit einem weiteren Bibelwort: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Römerbrief 8,28), endete sein Vortrag.

Ein Stehempfang in der großen Rathausdiele schloss sich an.