Großer Mann: Bremens Bürgermeister a. D. Henning Scherf in Schweinfurt

In der Mitte der Gesellschaft angekommen: Vortrag "Alter im Wandel" von Bürgermeister a.D. Dr. Henning Scherf

Schweinfurt, 10. April 2012. Ein großer Mann – körperlich wie geistig – war der Festredner des Abends! Unter dem Titel „30 Jahre – gemeinsam unterwegs“ beging der Seniorenbeirat der Stadt Schweinfurt seinen 30. Geburtstag mit einer Großveranstaltung im Evangelischen Gemeindehaus.

In seiner Begrüßung der Honoratioren aus Politik und Kirche, vor allem der Stadtrats- und Seniorenbeiratsmitglieder, blickte der Vorsitzende Werner Dietmar auf den Anfang zurück: Ein Arbeitskreis „Altenhilfe“ habe Ende der 70er Jahre den ersten Seniorenplan erarbeitet. Am 23. März 1982 wurde die Zusammensetzung des Seniorenbeirates durch den Stadtrat einstimmig genehmigt. Seither finden jährlich Seniorenwochen statt, in diesem Jubiläumsjahr mit gleich über 50 Veranstaltungen vom 4. Mai bis 1. Juni.

Oberbürgermeister Sebastian Remelé betonte in seinem Grußwort die Wichtigkeit des Seniorenbeirates als Interessenvertretung älterer Menschen und Brückenschlag zum Stadtrat. Denn fast jeder vierte Schweinfurter (24%) sei über 65 Jahre alt – mehr als der bayerische Durchschnitt, der bei knapp 20 Prozent liege. Der Seniorenbeirat fördere die Eigeninitiative und Lebensqualität älterer Menschen und stelle Verbindungen zwischen den Generationen her. Remelé rief abschließend dazu auf, weiterhin die Stadt aktiv zu gestalten.

Dann kam der Auftritt besagten großen Mannes: Dr. Henning Scherf, von 1995-2005 Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Seit 2006 macht der inzwischen 73-Jährige durch sein Engagement für ältere Menschen von sich reden. Buchtitel wie Grau ist bunt: Was im Alter möglich ist oder Das Alter kommt auf meine Weise - Lebenskonzepte heute für morgen sind sozusagen Bestseller geworden. Schon seit 25 Jahren wohnt er mit seiner Frau in der Bremer Innenstadt in einer zehn Partien umfassenden Wohngemeinschaft verschiedener Generationen.

Der über Zwei-Meter-Hüne begrüßte zunächst per Handschlag jeden Einzelnen im Saal, weit mehr als 100 Personen, und demonstrierte dadurch immer noch, wie einst als SPD-Politiker, Bürgernähe. Dann setzte er zu seinem Vortrag „Alter im Wandel“ an – aber nicht abgehoben auf der Bühne am Rednerpult, sondern unten auf Augenhöhe mit dem Publikum – frei redend, unterhaltsam im Stil eines Entertainers.

Durch den demografischen Wandel würden sich Altersbiografien gewaltig verändern. Allein innerhalb der letzten hundert Jahre habe sich die Lebenserwartung um 30 Jahre erhöht.  „Die Älteren sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“. Habe man bisher beim (Un-)Wort „Ruhestand“ assoziiert, man würde in die Ecke gestellt, abgeschoben und warte zu Hause, bis der Tod komme, so sei das Gegenteil richtig. „Wir haben das Glück, in Friedenszeiten alt zu werden“. Zudem gebe es heutzutage gute medizinische Hilfen – selbst in der Krebstherapie. Deshalb betrachte er die per Gesetz vorgeschriebene Altersgrenze als Diskriminierung. „Wer nichts zu tun hat, ist unglücklich. Mir tut das selber gut, wenn ich mich unter die Leute mische.“

Scherf wurde dann sehr persönlich und erzählte unter anderem von seiner Aufgabe eines „Lesebotschafters“ – einmal in der Woche liest er in einer Grundschule vor -, dann von der eines Chorsängers  - den 120-köpfigen Chor hat er selbst gegründet! – und von seinen sportlichen Aktivitäten, besonders vom Fahrradfahren. Natürlich durfte die Schilderung des Alltages in der Bremer WG – bis hin zur Sterbebegleitung - nicht fehlen. „Die Gemeinschaft hilft tragen.“ Immer wieder reist Scherf quer durch Deutschland zu Pflegewohngemeinschaften und verbringt dort mindestens eine Woche, um das Miteinander kennen zu lernen. Besonders an die Adresse von Diakonie-Chef Jochen Keßler-Rosa gerichtet, empfahl er, im Innenstadtbereich leer stehende Liegenschaften intelligent zu nutzen und gegenseitige Hilfeleistung anzubieten. Durch einen „Mix“ von Hauptamtlichen, Ehrenamtlichen und Angehörigen lasse sich gemeinsam kochen, den Garten bewirtschaften, Unternehmungen planen und einander pflegen. Statt Altenghettos zu bauen, gelte es also die Älteren in die Stadt zu integrieren, wo sie den Menschen und den kommunalen Instanzen nahe seien. Scherf wünschte, „dass wir neue Umgangsformen entwickeln und uns gegenseitig nahe bleiben“.

Die anschließende Fragerunde fokussierte sich auf Scherfs Wohngemeinschaft, etwa wie man dort Konflikte löse und welche Hausregeln es gebe. Der Ex-Bürgermeister hätte wohl noch weit mehr als die vorgesehenen eineinhalb Stunden Rede und Antwort gestanden („Langeweile ist das Gefährliche!“), aber nicht nur die jungen Damen des Flötenquintetts von der Musikschule wollten ihre letzte Nummer spielen, sondern auch das Büfett für den Stehempfang war längst gerichtet. Moderator Diakon Norbert Holzheid musste beherzt eingreifen, um den begnadeten großen Unterhalter mit Pralinen zu beschenken und ihn zum Buchsignierstand zu geleiten. Ein kurzweiliger, nachgehender Abend!