Vesperkirche am Limit

Wie die Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanats mithelfen

Warten in den Bänken auf freie Plätze an den Tischen vorn

Schweinfurt, 23.1.2015. Wohin soll das noch führen? Das Mittagsessen-Barometer lässt sich nicht mehr höher fahren: Sonntag 275, Montag 302, Dienstag 433, Donnerstag 485, Freitag 500. Mehr Kapazitäten haben das Leopoldina-Catering und der Löhe-Haus-Service einfach nicht. Bei 500 Essen muss jetzt täglich Schluss sein. So erfreulich diese selbst in kühnsten Träumen der Veranstalter nicht erwartete Entwicklung ist, - aber je mehr Essen für 1,50 € verkauft werden, desto höher der Zuschuss- und Spendenbedarf.

Ja, und was wäre St. Johannis ohne das Dekanat Schweinfurt! Die Vesperkirche entwickelt sich mehr und mehr zur Dekanatskirche. Kolleginnen und Kollegen aus praktisch allen 27 Gemeinden helfen oder essen zumindest mit oder sind auf die eine oder andere Weise involviert, zum Beispiel was die tägliche Drei-bis-Fünf-Minuten-Andacht, das „Wort in der Mitte“, um 13.00 Uhr anbelangt:

Ob Schulpfarrerin Angela Weigel oder Landpfarrer Markus Vaupel aus Zell, ob Citypfarrer Heiko Kuschel oder doch einer der St. Johannis-Pfarrer, Andreas Grell: Sie alle machen mit, und alle hören ihnen zu, was bei normalen Sonntagsgottesdiensten nicht immer der Fall ist:

Pfr. Kuschel etwa spricht über das Wunder von Jesu Brotvermehrung und fragt: „Haben etwa einfach alle geteilt, was sie hatten?“ Pfrin. Christhild Grafe von der Kreuzkirche-Oberndorf legt die Erzählung von Maria und Martha aus: dass Jesus nicht zu viel Geschäftigkeit haben will. „Denn dem anderen aufmerksam zuhören, darauf liegt Segen.“ Gemeinschaftspflege sei groß zu schreiben. Das gelte genauso für die gerade in der Kirche Anwesenden: „Sie haben das gute Teil erwählt, haben eine Pause eingelegt, hören zu – und Ihnen wird zugehört.“ Und Pfr. Grell staunt: „Meine Johanniskirche hat sich merklich verändert.“ Von den Esstischen aus biete sich eine ganz andere Betrachtungsweise. „Manchmal muss man sich mitten rein – ins Allerheiligste – setzen, um den Kirchenraum ganz neu wahrzunehmen.“

Auch völlig ungewöhnlich für Sonntagsgottesdienste, aber wonach sich Geistliche insgeheim doch wohl sehnen, ist immer der Applaus nach der Andacht.

Grell hat Recht. Denn üblicherweise gestaltet sich Kirche als Frontalunterricht. Die Pfarrer agieren, und die Gemeinde reagiert. Bei der Vesperkirche spielt aber jede, jeder mit: Alle sind selber Kirche – nicht bloß die dafür bezahlten Funktionäre. Alle betreiben Gemeindeaufbau und bilden die Mosaiksteine der einen, sichtbaren Kirche auf Erden.

An Beifall spart das Publikum auch beim großen Benefizkonzert am Donnerstagabend nicht, als überwiegend Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanates – unter Leitung von Kirchenmusikdirektorin Andra Balzer – singend und spielend auftreaten. Wieder platzen die Kirchenbänke gleichsam aus allen Nähten. Selbst Dekan Oliver Bruckmann scheint um Begrüßungsworte verlegen zu sein: „Was ist nur los?“ fragt er und antwortet: „Vesperkirche ist los mitten in Schweinfurt.“ Dabei handele es sich um kein Wirtshaus, weil es keinen Wirt gebe, denn „wer würde denn daran verdienen?“ Vielmehr sei Vesperkirche „ein Stück Himmelreich“.

Die Pfarrer bieten ein abwechslungsreiches, buntes Programm mit Musik- und Gesangsstücken aus verschiedenen Jahrhunderten und in diversen Stilrichtungen, geistliche und weltliche Melodien, besinnliche und kesse Weisen, kurze und lange, mehrsätzige Werke, ergreifende, zu Herzen gehende und andererseits von den Sitzen reißende Stücke. Kurzum: eine stimmungsvolle, beeindruckende Mischung, 90-minütige Kurzweil.

Nur ein paar Beispiele seien aufgezählt: die traditionelle irländische Weise „Come by the hills“, gesungen von Claudia Dettmar und per Dudelsack begleitet von Pfr. Andreas Duft; eine Sonatine von Antonin Dvořák, virtuos dargeboten von KMD Andrea Balzer/Flügel und Pfr. Dr. Wolfgang Weich/Violine, oder das Altblockfötenduo Pfrin. Donate Molinari u. Pfr. Dr. Marcus Döbert mit der William-Williams-„Sonata in Imitation of Birds“.

Am Ende singt die Gemeinde zusammen mit dem zwölfköpfigen Geistlichen-Chor: „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns auf unsern Wegen“. Der Dekan bedankt sich bei allen Ausführenden mit je einem Überraschungs-Ei samt Taschenlampe. 1614 € zugunsten der Vesperkirche befinden sich nach dieser einmaligen Darbietung im Spendenkörbchen.

 

HINWEIS: Im Gottesdienst am Sonntag, 25. Januar 2015, werden um 10.30 Uhr Pfarrerin Susanne Rosa und ihr Mann Pfr. Jochen Keßler-Rosa eine Dialogpredigt halten. Gleich danach ab 11.30 Uhr gibt’s wie an jedem Tag bis einschließlich 8. Februar Essen in der Vesperkirche. Herzliche Einladung.