Nur unter Vorbehalt

Károly Hafenscher predigte am Reformationstag übers Kreuz

Eigens aus Ungarn nach Schweinfurt gereist: Pfarrer und Synodenpräsident Dr. Károly Hafenscher

Schweinfurt, Reformationstag 2016. Alle Jahre wieder am 31. Oktober volles Kirchenhaus in St. Johannis. Dekan Oliver Bruckmann begrüßte erneut die „aus Stadt und Land Gekommenen“, insbesondere die Repräsentanten anderer Kirchen – so die katholischen Dekane Stefan Redelberger und Werner Kirchner, den AcK-Vorsitzenden Diakon Dr. Michael Wahler, von der evangelisch-methodistischen Gemeinde Würzburg-Schweinfurt Gesine von Postel sowie die Landessynodale des Dekanats Schweinfurt Renate Käser –, ferner Vertreter aus der Politik: Bundestagsabgeordnete Dr. Anja Weisgerber, das Mitglied des Bayerischen Landtags Kathi Petersen, Schweinfurts Landrat Florian Töpper, die Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert und viele, viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Umlandkommunen.

Auch der Luther-Evergreen von der „festen Burg“ gehört längst zum Gottesdienstrepertoire, erst recht natürlich „am Vorabend des Reformationsjubiläums 2017“ - 499 Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg. Dekan Bruckmann ventilierte die Frage: „Was bedeutete Reformation damals und was bedeutet sie heute?“, um zur Predigtfrage des Abends überzuleiten: „Ist das Kreuz immer noch so wichtig?“ Dies sei die Frage nach dem geistlichen Kern unserer Kirche. Die Antwort sollte dann der Festprediger, Dr. Károly Hafenscher, aus Ungarn geben, den er vorstellte: Leiter des Bildungszentrums in Révfülöp, Präsident der Synode der Evang.-Luth. Kirche in Ungarn, Sonderbeauftragter des Ministers für das Reformationsjubiläum 2017 – sozusagen „an der Schnittstelle von Kirche und Politik“ befindlich.

Des Weiteren vergaß der Dekan nicht, an die Kirchenpartnerschaft der Evang.Luth. Kirche in Bayern mit der Evang.-Luth. Kirche Ungarn zu erinnern, die – welch ein Zufall – 1992 in Schweinfurt auf der Landessynodentagung besiegelt wurde, somit 2017 auch Jubiläum feiern kann - eben ihr 25-jähriges.

Pfr. Hafenscher legte seiner Predigt die des Paulus über „allein Jesus Christus, den Gekreuzigten“ (1. Korintherbrief 2,2), zugrunde, begann aber mit einem geflügelten ungarischen Wort: „Ein von weit her gekommener Mann kann große Worte sagen, aber man hört sie nur unter Vorbehalt. Es kann sein, dass er die Wahrheit sagt.“ Dies bezog er auf sich selbst: Da stehe nun ein fast 1000 Kilometer angereister, aus Ostmitteleuropa hergekommener Pfarrer auf der Kanzel, der zugleich ein Regierungsangestellter sei und den deshalb die Presse recht unterschiedlich, mit Vorbehalten, beurteile. Zudem spreche er über das nicht gerade moderne Thema „Kreuz“, wo es doch „geschmeidigere Themen“ gebe.

Warum dies? Weil auch Luther und die anderen Reformatoren darüber predigten. „Luther lebte daraus jeden Tag. Damit erfasste er die ewige Wahrheit, den inneren Kern des Christentums.“ Der Schöpfer des Weltalls habe in der Sprache des Kreuzes zu uns gesprochen. Aus Wittenberg nach Ungarn zurückkehrende Studenten hätten dieses Evangelium zu Hause verkündigt und eine Umwandlung im Land erreicht. Für kurze Zeit waren dort 90 Prozent evangelisch (heute: nur noch 3 Prozent Lutheraner).

Laut Hafenscher bleibt aber das Evangelium des Kreuzes ein Modell für Ungarn, für Deutschland und für ganz Europa. Das Kreuz sei eben kein Symbol oder magisches Werkzeug, sondern „Wort Gottes über unsere Befreiung durch die Erlösung durch Christus“. Das Kreuz erschlage, demütige, erschüttere unseren Glauben, - aber es tröste auch. Für unsere Sünden könne es nur eine Lösung geben: die Sündenvergebung, die aber einen – Jesus Christus – das Leben kostete. So spreche das Kreuz über den Tod des Todes und über das Geheimnis erfüllten Lebens.

Aus der ur-evangelischen, ja in weiten Teilen missionarisch-evangelistischen Predigt Hafenschers waren nur zarte politische Anklänge zu vernehmen, keinerlei kritische Untertöne, wie vielleicht von manchen erwartet, ja eher zwischen den Zeilen Kritik an der zu einseitigen Position des Westens gegenüber Ministerpräsident Viktor Orbán.

Wenn die Aufgaben des politischen und geistlichen Lebens vermischt würden, verliere das Kreuz seine Macht, betonte der Pfarrer. Ebenso: Wenn die Kirche nur über das Kreuz spreche, dann bleibe ihr Wort wirkungslos. Im Predigtschluss führte er das Eingangssprichwort fort: „Ein von weit her gekommener Mann kann große Worte sagen, aber die Unter- und Entscheidung über ihre Wahrheit sollen die Einheimischen treffen.“ An die Gemeinde gerichtet: „Ist das Kreuz immer noch so wichtig? Meine Antwort war: Ja. Und Ihre?“

Der kräftig intonierten „festen Burg“ wie dem anderen Reformationschoral „Es ist das Heil uns kommen her“ standen gedämpftere Töne gegenüber. Markus Zitzmann mit seinem Saxophon, begleitet von KMD Andrea Balzer an der Orgel, brachte mehrere Interludien zu Gehör, teils beschwingte, teils nachdenkliche Moll-Weisen, und förderte damit das kontemplative Moment in diesem besonderen Gottesdienst.

Auffallend viele blieben diesmal zum anschließenden Stehempfang bei regem Gespräch im Kirchenvorraum.