Vortrag über kirchliche Finanzen am Tag der Offenen Tür
Schweinfurt, Sa. 24. Oktober 2015. Bis Anfang dieses Jahres befand sich die Gesamtkirchenverwaltung (GKV) unter dem 1929 erbauten Evangelischen Gemeindehaus. Aber dort im Untergeschoss war es räumlich immer enger geworden. Schließlich musste das Amt sogar auf sechs „Exklaven“ verteilt werden. Inzwischen steht ein Neubau neben dem Gemeindehaus, errichtet an der Stelle des abgerissenen ehemaligen Studentenwohnheims der Evangelischen Fachakademie, Friedenstraße 25.
Baubeginn war 2013. Ab Februar 2015 wurden sukzessive die neuen Räumlichkeiten bezogen. Doch noch sind weitere Umbau- und Sanierungsmaßnahmen im Gange, denn in den Altbau sollen evangelische Dienste und Werke einziehen: das Erwachsenenbildungswerk, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt, das Jugendwerk und der Frauenbund, außerdem das gemeinsame Pfarramt Schweinfurt-West für die beiden Gemeinden Gustav Adolf und Dreieinigkeitskirche.
Daher wurde am Tag der Offenen Tür das Kirchengemeindeamt nur der innerkirchlichen Öffentlichkeit präsentiert. Um diesem Ereignis gebührend Rechnung zu tragen, ließ Dekan Oliver Bruckmann die Dekanatsherbstsynode ausfallen und lud stattdessen die gesamte Pfarrerschaft, die Synodalen und Kirchenvorstände aus den drei Dekanaten Schweinfurt, Castell und Bad Neustadt ein.
Denn das Kirchengemeindeamt ist für diese drei Bezirke mit ihren 70 Kirchengemeinden und 15 weiteren Rechtsträgern zuständig. In seinen Verantwortungsbereich fallen das Haushalts-, Kassen-, Rechnungs- und Meldewesen samt Durchführung der Kirchgelderhebung, die Personalverwaltung, die Betreuung der kirchlichen Gebäude inklusive Bauüberwachung und der KiTas – ein breitgefächertes Arbeitsfeld.
In seiner Begrüßung der etwa hundert Gäste fragte der Dekan: „Gott waltet; verwaltet er auch?“ Er verwies auf das vom Apostel Paulus entworfene Bild vom einen Körper, doch mit vielen unterschiedlichen Gliedern, sozusagen „eine Körperschaft mit verschiedenen Funktionen“ - eben wie die Kirchenverwaltung. Diversifizierung nenne man dies heute. Denn keine und keiner könne alles machen. Im Leben genauso wie in der Kirche brauche es unterschiedliche Begabungen und Professionen.
Bevor sich die Türen des Kirchengemeindeamtes öffneten, stand ein hochaktueller Festvortrag von Oberkirchenrat Dr. jur. Hans-Peter Hübner, Mitglied des Landeskirchenrates und seit 2007 Leiter der Abteilung „Gemeinden und Kirchensteuer“ im Münchener Landeskirchenamt, auf dem Programm. Thema: „Die kirchlichen Finanzen und die Perspektiven der Kirchengemeinden“.
Zunächst legte Hübner anhand von Zahlen die finanzielle Situation der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern und ihrer Gemeinden dar: Das Haushaltsvolumen 2015 beläuft sich auf 855 Mio. Euro, wovon mindestens 680 Mio. aus Kirchensteuereinnahmen zu erwarten sind. Mehr als die Hälfte dieser Mittel ist für die Kirchengemeinden und Dekanate bestimmt, im Klartext: für die Besoldung des theologischen Personals und der Kirchenmusiker, für Kitas, Instandsetzungen, Neubauten und Versicherungen. Die Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden erfolgen nach einem Punktwert, der sich an der Gemeindegliederzahl orientiert, zurzeit 142 Euro. Darüber hinaus gibt es – nach genauer vorheriger Prüfung – Bedarfs- und Sonderzuweisungen.
Kirchensteuer-Mehreinnahmen dienen der Rücklagenbildung und für gemeindebezogene nachhaltige Investitionen, etwa für substanzerhaltende und notwendige Maßnahmen, für die energetische Sanierung von Pfarr- und Gemeindehäusern und die Förderung innovativer Gebäudekonzentration.
In zweiten Teil seines Referats kam der Oberkirchenrat auf die Kirchenmitgliederentwicklung zu sprechen: War die Zahl evangelischer Gemeindeglieder in Bayern seit 1970 bis 2000 stetig gestiegen – von 2,56 Mio. auf 2,72 Mio. -, so ist seitdem ein rückläufiger Trend zu beobachten. Zurzeit sind es 2,45 Mio. „Seelen“. Einen besonders starken Rückgang von über 10 Prozent verzeichnen die Kirchenkreise Bayreuth und Nürnberg. Der hiesige Kirchenkreis Ansbach-Würzburg weist einen Mitgliederschwund von neun Prozent auf.
Kehrten bis 2013 im Durchschnitt 15.000 bis 16.000 pro Jahr Menschen der evangelischen Kirche den Rücken, so haben sich 2014 die Austritte auf über 30.000 verdoppelt, primär zurückzuführen auf Missverständnisse bei der Erhebung von Kirchensteuer auf Kapitalertragsteuer. Dem stehen nur 3000-3500 Eintritte pro Jahr gegenüber. Auch 2015 hält dieser Abwärtstrend noch an: Bis Oktober waren es bereits 20.000 Austritte, davon 80 Prozent Kirchensteuerzahler. Weitere Problemanzeige: Ab 2019 erfolgt die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge!
Was ist zu tun? Hübner denkt an Mission und diakonisches Handeln. Beispielsweise würden sich aufgrund der Vesperkirche in Schweinfurt neue Kontakte erschließen, und „Diakonie steht ganz vorn in der Wahrnehmung der christlichen Beistandspflicht für Flüchtlinge“. Auch müssten für das Studium der Theologie und für den Gemeindedienst Anreize geschaffen werden. Bei derzeit 2000 Pfarrstellen würde sich laut Personalbedarfsprognose bis 2033 ein Minus von über 600 ergeben.
Des Weiteren gelte es neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln. So zeigte Oberkirchenrat Hübner im letzten Vortragsteil Möglichkeiten der Kooperation zwischen Kirchengemeinden auf, etwa durch ein gemeinsames Pfarramt, nur einen Kirchenvorstand, gemeinsame Konfirmanden- und Jugendarbeit oder eben durch Fusion. Er appellierte an die Gemeindevertreter, sich als Teil einer umfassenden Dienst- und Solidargemeinschaft zu verstehen und das „Kirchturm-Denken“ zu überwinden.
Ferner müsse der Gebäudebestand einer Überprüfung unterzogen werden. „Konzentration“ und „Reduktion“ lauteten hier die Schlagworte. Notfalls müssten unrentable Gebäude stillgelegt werden. Doch sei das „Rasenmäher-Verfahren“ zu vermeiden.
Kosten- und Synergiegründe hätten auch zu einer Verwaltungsstellenreform geführt. Eine strukturierte Zusammenarbeit benachbarter Verwaltungsstellen (Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt) stehe vor ihrer Realisierung. Ab 2016 versieht in Schweinfurt ein Trägerverbund die Kindertagesstättenverwaltung. Die Assistenz für das Bau- und Liegenschaftswesen wird stärker vom Kirchengemeindeamt wahrgenommen, denn „nicht immer sind PfarrerInnen die Fachleute“.
Und zu guter Letzt: Das Berufsbild der Pfarramtssekretärin, das bis dato „eher stiefmütterliche Aufmerksamkeit genossen“ habe, müsse sich zur „Assistenz im Pfarramt“, durch Unterstützung der pfarramtlichen Geschäftsführung, wandeln. „Die Präsenz im Pfarrbüro soll als Präsenz der Kirche empfunden werden.“ Hübner schloss mit dem tröstlichen Paulus-Wort: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe.“
Am frühen Nachmittag gab es vertiefende Workshops zu den Themen Finanzen, Bauverfahren, Kita-Trägerverbund und Geldbestandsverwaltung. Viele Klagen von Gemeindevertretern wurden laut: Man habe die Grenzen der finanziellen Leistungsfähigkeit erreicht. Personalkosten für Mesner, Hausmeister etc. würden die Rücklagen aufbrauchen. Manche können Kirchensanierungen in größerem Stil oder den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude längst nicht mehr stemmen, zumal die Spendenbereitschaft deutlich nachgelassen hat und Fundraising-Konzepte nicht immer greifen. Andererseits scheint es doch etliche Kirchengemeinden zu geben, die mit den landeskirchlichen Ergänzungszuweisungen zufrieden sind.
Dann öffneten sich endlich die Türen des Kirchengemeindeamtes: Auf den Fluren der drei Etagen herrscht ruhige, gedämpfte Atmosphäre. Alles riecht frisch, vor allem nach Holz, neuem Mobiliar und nach Parkettfußboden. Luftig und hell sind die offenen Büros; auch an eine Küchenzeile wurde gedacht. Durch eine dick gedämmte Tür betritt man den großen Tagungsraum. Garantiert nichts dringt von hier nach draußen.
OKR Dr. Hübner: „Das neue Kirchengemeindeamt ist ein Lichtblick, ein freundlicher, einladender, ästhetisch gelungener Bau.“ Nach Abschluss der restlichen Bauabschnitte soll im kommenden Jahr die offizielle (Wieder-)Einweihung des gesamten Gebäudeensembles erfolgen.