Gedenkgottesdienst zum Jahrestag der Novemberpogrome mit Dr. Axel Töllner und Dekan Oliver Bruckmann
82 Jahre nach der Reichspogromnacht lud das Evangelisch-Lutherische Dekanat Schweinfurt wie jedes Jahr am 9. November ein zu einem Gedenkgottesdienst in der St. Johanniskirche Schweinfurt.
In der „Reichskristallnacht“ ging nicht nur Glas kaputt, so Dekan Oliver Bruckmann, sondern es war der Beginn der Zerstörung von Millionen Leben. „Es geht um gewaltsam zerborstenes Glück, Heimat, Gemeinde.“ Das alles sei nicht nur Vergangenheit, wie die aktuellen Nachrichten zeigten. Daher sei unser Gedenken und unser Eintreten für jüdisches Leben in Deutschland weiterhin wichtig.
Auch in Schweinfurt und im ganzen Dekanat war jüdisches Leben selbstverständlich, bis es in der Shoa vernichtet wurde. Keine einzige Synagoge im Dekanat ist erhalten geblieben, jedenfalls nicht als Synagoge – die Namen jedoch sind heute in der Gedenkstätte Yad Vashem in Stein gemeißelt.
Stellvertretend erinnerte Dekan Bruckmann an den Kantor der jüdischen Gemeinde, Bernhard Adler, und seine Frau Elise. Er gründete in Schweinfurt die erste Wirtschaftsschule. 1942 wurden die beiden deportiert und ermordet.
„Das jüdische Leben soll nicht vergessen sein“, so Bruckmann weiter. Er regte an, beispielsweise den Standort der ehemaligen Synagoge in der Siebenbrückleinsgasse nicht nur durch einen Gedenkstein zu markieren, sondern ihre ehemaligen Umrisse auf dem jetzigen Parkplatz sichtbar werden zu lassen – oder zumindest den Ort, an dem der Toraschrein stand. „Vielleicht könnte der Platz so ein Ort der Versöhnung werden – oder sogar so heißen“, so Bruckmann.
Dr. Axel Töllner, Beauftragter für jüdisch-christlichen Dialog in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, knüpfte in seiner Predigt an die Erinnerung an Familie Adler an.
„Wir gedenken aber auch der Menschen, die die Greueltaten verübt oder auch nur gebilligt haben.“ Viele, eigentlich alle, hätten in ihrer Verwandtschaft Menschen, die damals mitgemacht hätten.Â
„Wir gedenken aber auch derer, die gezeigt haben, dass es eine Wahl gibt.“ Etwa Josef Meyer aus Schweinfurt, der Juden im besetzten Polen versteckte und ihnen half und als einer der „Gerechten unter den Völkern“ gilt.
„Seid nüchtern und wacht“ heißt es im 1. Petrusbrief, auf den sich Töllner in seiner Predigt bezog. Gerade Petrus, der nach der Gefangennahme Jesus verleugnet habe und später doch zum „Felsen“ der Gemeinde wurde, sei ein gutes Beispiel dafür, dass in uns Menschen Gutes und Schlechtes angelegt sei. „Mit dem Namen des Petrus verbindet sich auch das Scheitern“. Es sei wichtig, auch bei sich selbst mit beiden Möglichkeiten zu rechnen, nüchtern und wachsam zu bleiben.
Es beginne immer mit Worten. Nüchternheit und Wachsamkeit sei zentral. Die hasserfüllten Worte brauchten unseren Widerstand. „Unser Schweigen macht sie groß“.
Dennoch können wir auf Hilfe hoffen, denn: „Gott widersteht dem Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade“, so der erste Petrusbrief.
Mit einem Gebet und Orgelspiel von KMD Andrea Balzer endete der nachdenkliche, stille Gottesdienst. Ein wichtiger jährlicher Beitrag zur Erinnerung an das unfassbare Geschehen vor 82 Jahren.