"Ach, das könnte schön sein ..."

Pfarrkonvent 2014 am Ellertshäuser See

Still ruht der (Ellertshäuser) See - Schauplatz des diesjährigen Pfarrkonvents

Schweinfurt, 6.-8. Juli 2014. Einmal im Jahr trifft sich das Pfarrkapitel samt Familien extern, meist in der Abgeschiedenheit der Waldlandschaft um das Biotop Ellertshäuser See. Leider liegt er doch in allzu großer Nähe zu Schweinfurt, als dass man wirklich die Gemeinden und die Alltagsroutine ganz hinter sich, also die Kirche im Dorf zurücklassen könnte. So war auch diesmal im „Haus der Begegnung“ der Diakonie wieder Fluktuation – spätere Anreise bzw. frühere Abreise – unüberseh- und unüberhörbar. Die Kinder mussten früh zur Schule gebracht, mittags wieder abgeholt werden; Müdigkeit griff um sich usw.

Motivierend wirkte immerhin das zündende Thema: „Gut und gerne und wohlbehalten als Pfarrer/in oder Pfarrfamilienmitglied im Dekanat Schweinfurt“, für dessen inhaltliche Füllung und Moderation Professor Dr. Andreas von Heyl aus Neuendettelsau gewonnen werden konnte. Der Praktologe und Spezialist für das Burnout-Syndrom leitet dort an der Augustana Hochschule die Fortbildung in den ersten Amtsjahren.

Wovon PfarrerInnen träumen und was ihre inneren Antreiber sind

„Gut = professionell, gerne = motiviert, wohlbehalten = gesund“: So interpretierte der Professor die Thematik. Das Interesse an Supervision nehme genauso zu wie der Krankheitsstand der PfarrerInnen. Prävention - Salutogenese - tue deshalb not. Zunächst ließ von Heyl alle, auch die anwesenden Familienmitglieder, notieren: „Was liebe ich an meinem Beruf?“ Hier einige zu Papier gebrachte Stichworte: die Teamarbeit, Abwechslung, jeder Tag ist anders, die Freiheit in der Zeitgestaltung, der Reichtum der (Lebens-)Geschichten, Begegnung mit unterschiedlichen Menschen, Wertschätzung, positives Feedback aus der Gemeinde, Authentizität…

Nach diesem „Panorama von Kraftquellen“ (so Prof. von Heyl) wurden Antworten auf die Frage „Wie bekomme ich noch mehr davon?“ an die Pinnwand geheftet. Und schon durften alle Kolleginnen und Kollegen ihre Träume nennen, u.a.: weniger Geschäftsführung, Rückgriff auf ein verlässliches Team, eigene Schwerpunkte setzen können, sich ein „dickeres Fell“ aneignen, „ein Stück Mittelmaß“ erlauben oder „mehr Grenzen“ ziehen, vor allem planbare, verbindliche Freiräume haben. Ja, der berühmte dienstfreie Tag unter der Woche sollte während dieser Einkehrtage noch des Öfteren angemahnt werden, offenbar weil er sich zu selten wirklich nehmen lässt. Pfarramtliche Freiheit ist eben alles andere als grenzenlos.

Der Professor ziterte einen nützlichen Rat aus der anglikanischen Kirche „Count your blessings!“ – vielleicht auf gut Deutsch: „Sei zufrieden mit dem, was du hast und was du bist“ oder auf gut biblisch: „Und vergiss nicht das Gute, das er dir getan hat“. Denn immerhin war überraschend auch auf einen Zettel notiert: „ein gnädiger Gott“ – Wunsch oder Wirklichkeit?

Dann gab Prof. von Heyl einen Input im Vortragsstil: „Was brauchen PfarrerInnen, damit sie wirklich gut, gerne und wohlbehalten arbeiten können?“ Antwort: „eine stabile, professionelle Identität“. So werde vom Pfarrer Krisenmanagement erwartet oder die Fähigkeit, einen mittelständischen Betrieb zu führen, qualifizierten Religionsunterricht zu geben etc. Doch in seinem wissenschaftlichen Theologiestudium habe er davon nichts gelernt.

Für von Heyl ist aber Pfarrer kein theologischer, vielmehr ein seelsorgender und ein geistlicher Beruf. Die Seele, verstanden als die individuelle Lebenskraft, kurz: die Individualität und Lebendigkeit des Menschen, sei heutzutage immer mehr bedroht. Von daher seien Seelsorgende Personen, „zu denen Menschen mit ihren Fragen, Sorgen, Nöten kommen können“, die dann in ihren Krisen begleitet und denen dabei auch die geistlichen Dimensionen nicht vorenthalten würden.

Von Heyl betonte aber, dass die PfarrerInnen zunächst selber Zugang zum „inneren Glutkern der Bibel“, d.h. zum Evangelium, bräuchten, um daraus leben und überhaupt die Kraft (dynamis) zur Seelsorge schöpfen zu können. Merke: „Die erste uns anvertraute Seele ist meine eigene!“ Deshalb: Die Geistlichen müssten feste Zeiten der Andacht, der Stille, jeden Tag mindestens eine Stunde der Schriftlesung, haben. Nur: Wer von ihnen kann sich angesichts des Terminkorsetts diesen Luxus auch noch leisten! Dies machte die anschließende Aussprache recht deutlich.

Von daher legte der Professor nach und nahm die sog. „inneren Antreiber“ ins Visier seiner Kritik. Derlei Antreiber seien schon seit unserer Kindheit im vor-/unbewussten Bereich unseres Geistes vorhandene Verhaltensmaßregeln, die unnötig Kräfte binden und sogar Ängste auslösen können, so als ob wir unter einem geheimen Zwang stünden, - zum Beispiel in uns gespeicherte Forderungen von Eltern, Lehrern oder Vorgesetzten wie: „Sei perfekt!“ „Wer rastet, der rostet.“ „Ohne Fleiß kein Preis.“ „Tempo, Tempo, das muss rascher gehen.“ „Anderen gegenüber nur keine Schwächen zeigen!“ Weil man dieses eigene (Antreiber-)Verhalten als einzig wahr und richtig empfinde, verlange man es wiederum auch von anderen Menschen. Stattdessen gelte es aber, diese inneren Antreiber zu identifizieren, um sich von ihnen zu emanzipieren: „Ja, ich darf Fehler machen.“ „Es können auch 90% genügen.“ „Manches darf auch mal länger dauern.“ „Ich bin OK, selbst wenn jemand mit mir unzufrieden ist.“

Rund um See – danach ein Räubersong

All diese Sätze konnte man in den längeren Pausen auswendig lernen, vielleicht sogar laut hersagen beim Umrunden des Ellertshäuser Sees: 4,4 Kilometer in eineinhalb Stunden bei Normalschritt – ohne äußere Antreiber (!). Mit 31 Hektar Fläche ist dies immerhin der größte See Unterfrankens, auch wenn er künstlich, von Menschenhand als Bewässerungsspeicher, geschaffen wurde.

Dermaßen gestärkt oder vom Mittagsschlaf auferstanden, durften sich die Pfarrerinnen und Pfarrer am Nachmittag endlich „konkrete Schritte“ überlegen, wie es ihnen im Dienst besser gehen und sie auch wirklich zu dem kommen könnten, was ihnen wichtig ist. Dazu wurden wieder etliche Pinnwände gefüllt. Hier nur ein paar notierte Schlagworte: eine bessere Bemessung der Pfarrstellen; Reduktion des (ungeliebten) Religions(pflicht)unterrichtes; abermals: Stärkung der freien Tage; Befreiung von der Residenzpflicht, eine „Springerstelle“ zur Abdeckung der Vakanzen; Kooperation in der Konfirmandenarbeit; Solidargemeinschaft im erweiterten Pfarrkapitel, d.h. unter Miteinbeziehung auch der im Schuldienst Tätigen.

„Ach, das könnte schön sein (- als friedlicher Bürger, sein ehrbares Leben so ganz auszukosten)“. Ausgerechnet der Song der Räuber aus dem Film „Das Wirtshaus vom Spessart“ sollte den Geistlichen als Aufreißer und Motivator dienen, um am Ende doch wieder als Dichter (und Bildhauer!) ihrer Phantasie freien Raum zu lassen: Das Organisationsteam stellte ihnen nämlich die Aufgabe, fiktional-humorvoll ein schöneres Leben im PfarrerInnen-Haus zu entwerfen.

Als Multistrophenschöpfer zur Kirchenliedmelodie „Der Mond ist aufgegangen“ erwies sich dabei Dekan Oliver Bruckmann.  Ein unkommentierter Ausschnitt: „Der Samstag nicht zu Ende, die Predigt ging behände mir heute von der Hand. Der Wein steht schwarz im Glase und steigt mir in die Nase, versetzt mich ins gelobte Land.“ Pfarrer Andreas Bauer (Bergrheinfeld) hatte gar liebevoll eine Schnecke getöpfert „als Symbol für Entschleunigung“. Es wäre doch so schön, nur 90% sein zu dürfen; ja, wäre …

Versöhnlicher Ausklang mit Ausblick

Schließlich wurde am Abend ein eindrückliches Tischabendmahl gefeiert, das in ein gemeinschaftliches Essen einmündete. Pfr. Andreas Duft (Euerbach) fand meditative Einsetzungsworte und stimmte eigene Melodien zusammen mit seiner Gitarrenpartnerin Claudia Dettmar („DuDett“) an. So friedlich, versöhnlich endete der Tag.

Nein, schlecht geht’s bestimmt keinem Geistlichen, nur könnte es ihm schon etwas besser gehen. Dass sich dies nach dem Konvent realisieren lässt, dürfte freilich Prinzip Hoffnung bleiben. Also auf ein Neues! So wird man sich wohl auch übers Jahr wieder am Ellertshäuser See treffen, weil in dessen Tiefe, gerade beim Staudamm, viel Frust und Probleme deponierbar sind.