Herausforderung Zukunft
Schweinfurt, Sa. 9. Nov. 2013. Die Herbstsynode des evangelischen Dekanats Schweinfurt galt dem Thema „Herausforderung Zukunft“, Untertitel: „Lebendiges Dekanat gestalten“. Intensive Gruppenarbeit war angesagt. Das Dekanat hat einen gut zwei Jahre dauernden Evaluierungs- und Beratungsprozess begonnen und dazu ein sog. „Dekanatsentwicklungsteam“ (DET) gebildet. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen, einer dünner werdenden Personaldecke (Stellenabbau!), rückläufiger Finanzen, drängender sozialer und gesellschaftlicher Probleme usw. müssen einfach die bisherigen Arbeitsweisen und Strukturen überprüft und gegebenenfalls für die Zukunft modifiziert werden.
In seiner Andacht zu Beginn der Tagung im Evangelischen Gemeindehaus nahm der stellvertretende Dekan Jochen Wilde aber eine ganz andere Perspektive in den Blick, die die Synode leider nicht weiter berücksichtigte: dass die Zukunft der Kirche recht düster gezeichnet, ja sogar eine fatalistische Stimmung verbreitet und so getan werde, als ob die Zukunft von Menschen abhängen würde. Vielmehr folgten doch die Christen als Volk Gottes einer Verheißung, seien unterwegs zu einem Ziel, müssten darum wie Josua „über den Jordan gehen“, alte Strukturen hinter uns lassen und neue Schritte in ungewohntem Terrain wagen. Wilde pointiert: „Gott beruft nicht Qualifizierte, sondern Gott qualifiziert Berufene!“
Das DET unter Federführung der Berater Ulrich Willmer (Coburg) und Martin Rösch von der Gemeindeakademie Rummelsberg wünschte den rund 50 im Evangelischen Gemeindehaus erschienenen Synodalinnen und Synodalen einen „ereignisreichen, lebendigen und austauschfreudigen Tag“.
„Mit welchem Hut sitzen Sie hier?“, lautete die erste Impulsfrage, und verschiedene alte „Hüte“ – real wie symbolisch – machten die Runde: etwa bei den meisten der „Hut“ der Kirchengemeinde, von der sie entsandt wurden, dann der Pfarrer-„Hut“ für die gewählten Geistlichen oder der der Delegierten seitens der Dienste und Werke im Dekanat.
Dann galt es zunächst einmal in sechs Untergruppen den Ist-Zustand zu eruieren und dazu Beispiele guter Kooperation auf Pinnwänden zusammenzutragen, also Faktoren des Gelingens. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Kirchengemeinden, in der Region, die von Diakonie und Kirche, auf Dekanatsebene, mit außerkirchlichen Gremien/Gruppen sowie mit dekantsweiten Werken und Diensten?
Hier nur einige im Plenum vorgetragene Ergebnis-Schlagworte:
1. im Blick auf Kirchengemeinden: „gute Zusammenarbeit der Pfarrer“, „Predigertausch“, „Tradition“, „klar definierte gemeinsame Ziele“, „Bewältigung von Vakanzen“, „notwendige Synergien“;
2. hinsichtlich regionaler Zusammenarbeit: gemeinsamer Gemeindebrief und thematische Gottesdienste im Stadtgebiet, Citykirche;
3. das Verhältnis von Diakonie und Kirche betreffend: Kommunikation miteinander, z.B. in der Kinder- und Altenarbeit oder in der allgemeinen Sozialarbeit, der Ehrenamtsakademie
4. Was die Dekanatsebene betrifft, wurde die „institutionalisierte Kommunikation“ und Unterstützung seitens des Dekanats gelobt, die Wertigkeit der gemeinsamen Kur-/Krankenhaus-Seelsorge-Konferenzen, der Dekanatsszeitschrift „Perspektiven“ und der Dekanatshomepage betont.
5. hinsichtlich der Kooperation mit außerkirchlichen Gruppen: Die Integration, z.B. von russlanddeutschen Aussiedlern, wurde als „offener Prozess“ beschrieben. In offener, ehrlicher Kommunikation mit den politischen Gemeinden, Jugendämtern, der AWO oder den Vereinen bringe die Kirche ihr Know-how ein.
6. Die Palette der Zusammenarbeit mit dekanatsweiten Werken und Diensten wurde immer umfangreicher: CVJM, Notfallseelsorge, Partnerschafts- und Dekanatsfrauenbeauftragte, Kirchenverwaltung – um nur einige zu nennen. Jedenfalls lässt sich auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen.
Auf einer Extra-Pinnwand durfte aber auch notiert werden, wo die Zusammenarbeit nicht (so) gelingt oder sogar misslungen ist. Darauf war zu lesen: „es menschelt“; „es fehlt an Vertrauen, Verständnis, an Zuverlässigkeit“, „es gibt persönliche Vorbehalte“, „das war schon immer so“. Auch die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität wurde als Hinderungsgrund genannt. Es bräuchte mehr (ökumenische) Offenheit und mehr Engagement der Gemeinden untereinander.
Nach der verdienten Mittagspause referierte Präsidin Ute Lutz generell über den Dekanatsberatungsprozess. Wandel und Veränderungen erforderten eine Überprüfung der Situation. „Sind wir mit den bestehenden Ressourcen kommenden Veränderungen gewachsen?“ Derzeit befasse sich das DET nach fünf Treffen mit der Erhebung des Status quo, als mit der Wahrnehmung der bestehenden Situation im Dekanat. Als nächste Schritte seien angedacht: die Auswertung dieser Dekanatssynode, ein Bericht darüber in der nächsten Dekanatsausschusssitzung, Konkretisierung möglicher Themen und die Gewinnung von „Akteuren“. Endergebnis des Prozesses solle sein, dass die regionale und inhaltliche Zusammenarbeit im Dekanat weiterentwickelt sei besonders in Bezug auf Effizienz, Kooperation und spezifische Kompetenzen/Stärken.
Danach folgte eine zweite Gruppenarbeitsrunde mit der Zielsetzung, Themen aufzugreifen,
- die in vielen Gemeinden diskutiert werden,
- die uns wichtig sind, weil uns die Menschen wichtig sind,
- bei denen es sich lohnt, zusammenzuarbeiten,
- die das Dekanat beschäftigen
Drei Diskussionsthemen kristallisierten sich heraus:
1. Demografische Veränderung: Aufgrund abnehmender Mitgliederzahlen – durch Kirchenaustritte, Wegzug und einer höhere Sterbe- als Geburtsrate – kommen neue Aufgaben auf die Gemeinden zu, z.B. in der Jugend- und Ehrenamtlichenarbeit. Dekan Bruckmann informierte, dass zwischen 2005 und 2011 das Dekanat um 3000 Gemeindeglieder geschrumpft sei, wobei ein Drittel auf Austritte und zwei Drittel auf die demografische Entwicklung zurückgingen. So wurde hingewiesen auf eine Optimierung der Nutzung kirchlicher Gebäude bzw. ihren Verkauf, auf eine Zusammenlegung von Pfarrämtern, die Einrichtung von „kirchlichen Dorfstützpunkten“ und eine Verstärkung der Ehrenamtlichenarbeit. Im Blick auf die immer höhere Zahl älterer Menschen wurde gefordert: Alle kirchlichen Gebäude müssten barrierefrei oder altengerecht umgebaut werden.
2. Verbundenheit: Mit diesem Thema ist bereits die Dekanatsarbeitsgruppe „gerne evangelisch“ befasst. Was ist im Bereich Mitglieder-/Gemeindebindung wichtig – insbesondere was Kinder und Jugendliche anbelangt? Es sollte keine Lücke in der Beziehung zur Kirche entstehen. Wie definieren wir Verbundenheit? Die Citykirche z.B. ist unverbindlich: Leute nehmen freiwillig am MehrWeg-Gottesdienst teil. Soll also ein zweites Gottesdienstprogramm geschaffen werden?
3. Menschen in Not: Was ist überhaupt Not? Wer ist in Not? Werden Hilfsbedürftige überhaupt erkannt? Wie ist ihre Würde zu wahren? Dieser Problematik lässt sich – gerade auch was die finanzielle Seite anbelangt – am besten in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und Diensten begegnen. Man könnte z.B. einen Markt der Möglichkeiten bilden im Blick auf schon bestehende Angebote von Nachbarschaftshilfe und anderen Hilfen.
Am Ende der Synodensitzung stand der obligatorische Geschäftsteil mit Finanzen und Personalia:
Dekan Oliver Bruckmann gab die Jahresrechnung des Dekanatsbezirkes (Einnahmen: 509.051 €, Ausgaben: 479.025 €), den Haushaltsplan 2013 (454.389 € in Einnahmen und Ausgaben) sowie die Ergänzungszuweisung 2013 für Anschaffungen und Reparaturen in den Kirchengemeinden (insgesamt 76.628 €) zur Kenntnis.
Ferner teilte er mit, dass die Berufung von Renate Käser (Mission, Partnerschaft und Entwicklung) und Pfrin. Christhild Grafe (Dekanatsbeauftragte für Mission) um weitere sechs Jahre verlängert worden sei. Pfr. Markus Vaupel/Bad Kissingen wurde neuer Diakoniebeauftragter, Ilse Heusinger sowie Diakon Norbert Holzheid zu Ehrenamtsbeauftragten des Dekanates bestimmt.
Des Dekans Resümee zum Synodentag: "Es macht Spaß, sich mit Kirche zu beschäftigen." Mut machend sagte dann noch irgendwer – im Duktus der Anfangsandacht: „Wir sind ja nicht allein, sondern wir haben doch Hilfe von oben.“ Dessen Wort in Gottes Ohr wie in das der Synode.
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