Ilse Vogel beendet Prädikantendienst
Zell, 19. Januar 2014. Nach über 32 Jahren beendete Ilse Vogel aus Altersgründen ihren ehrenamtlichen Gemeindedienst. Seit 1981 war sie Lektorin, ab 1994 Prädikantin, also Predigerin mit selbst verfassten biblischen Auslegungen. Laut eigenem Bekunden stand sie pro Jahr sechs bis acht Mal auf der Kanzel, vor allem in den Zellergrund-Gemeinden Zell, Weipoltshausen und Madenhausen, half aber in Vakanzzeiten auch in den Lauertal-Kirchen und in anderen Regionen des Dekanates Schweinfurt gerne mit aus. Sie amtierte außerdem einige Jahre als Kirchenvorsteherin und Dekanatsfrauenbeauftragte mit großem Engagement für ein gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern.
Zu ihrer Abschiedspredigt und offiziellen Entpflichtung war Dekan Oliver Bruckmann in die Zeller Matthäus-Kirche gekommen. Pfarrer Stefan Bonawitz von der Lauertalgemeinde Maßbach gestaltete den Gottesdienst liturgisch, der Kirchenchor unter Leitung von Marina Skrzybski festlich-musikalisch aus.
Vogels letzte Predigt am 2. Sonntag nach dem Epiphaniasfest beinhaltete, wie kaum anders zu erwarten, eine biographisch geprägte Bilanz. Der Text aus dem 12. Kapitel des Hebräerbriefs („Stärkt die müden Hände und die wankenden Knie“) spiele auf die 40-jährige Wanderung der Israeliten auf der Sinai-Halbinsel an. Dabei erinnerte sich die wanderbegeisterte ehemalige Weipoltshausener Lehrerin an einen ihrer Schulausflüge, wo sich ein Mädchen verlaufen, aber Gott sei Dank wieder zur Gruppe zurückgefunden hatte. Freilich diene der Bibeltext als Gleichnis für die christliche Gemeinde, die – mit Gott als Wanderführer – auf Christus als Ziel unterwegs sei.
„Doch solange wir unterwegs sind, sind wir nicht angekommen“: Plötzlich könnten Steine im Weg liegen, oder man verliere streckenweise den Pfad. Die Wanderung führe immer wieder auch durch tiefe Täler. Feinde könnten selbst innerhalb der Gemeinde auftreten, Konkurrenzgerangel und üble Nachrede brächten Unfrieden, verächtliche Worte vergifteten die Stimmung. So bedürfe die Gemeinde immer wieder der Ermutigung zum Weitergehen, denn Stillstand bedeute Tod!
Dass Frau Vogel dabei konkret ihre Gemeinden im Zeller Grund vor Augen hatte, wurde deutlich, als sie mit Bedauern zum Ausdruck brachte, dass nur ein Pfarrer länger als zehn Jahre geblieben sei und damit einhergehend die geistliche Begleitung, das „Feuer in den Gemeinden“, abgenommen habe. „So mancher ist abhanden gekommen auf dem Weg zum Ziel.“
Das Argument, dass Christen doch nicht streiten würden, bezeichnete Vogel als scheinheilig. Man dürfe nicht den Teppich über Scherben breiten, sondern solle mit Argumenten um die Lösung von Problemen streiten, sich bewegen lassen und aufeinander zu bewegen. In prophetischer Manier warnte sie, es gebe ein Zuspät, ein Verfehlen der Gnade Gottes. Ihr abschließender Appell an die Gemeinde lautete, nicht nachzulassen im Bemühen um den Frieden. Es gelte, „den lockeren Spruch“ ernst zu nehmen: „Jetzt hilft nur noch beten!“
Anschließend dankte Dekan Bruckmann Ilse Vogel dafür, dass sie so lange dem Evangelium und Christus gedient habe. Ihre Predigten seien immer „akribisch vorbereitet und ausgearbeitet“ gewesen. Mit Nachdruck habe sie dabei die jüdischen Wurzeln des Christentums betont. Überhaupt sei Frau Vogel ausgewiesene Kennerin der Geschichte der Juden in Mittelfranken und habe über ehemals jüdisches Leben in Neustadt/Aisch und Diespeck einige Fachbücher verfasst und dafür die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Sie sei weiterhin gefragte Führerin auf jüdischen Friedhöfen und bekunde „ein lebendiges und zeitgenössisches Interesse am Judentum“.
Kurzum: Sie sei eine Frau mit hohem intellektuellem Niveau, wenngleich eine hartnäckige, oft unbequeme Forscherin und Fragerin, „eine wichtige Stimme, die wir in unserer Kirche auch brauchen.“ Dann entband der Dekan sie von ihren Rechten und Pflichten als Prädikantin und sprach ihr Gottes Segen für ihren weiteren Weg zu.
Die Offenheit und Geradlinigheit von Ilse Vogel kam auch in Worten von Gemeindegliedern zum Ausdruck. Alle waren sich aber darüber einig, dass in ihr immer das Feuer für Gottes Sache gebrannt habe und ganz bestimmt weiter brennen werde.