Besuch von Landesbischof Dr. Friedrich im Dekanat Schweinfurt

Die elf Stationen der Via episcopalis

 

Auf dieser Seite finden Sie die komplette Chronologie samt Bildergalerie zur Visitation des Landesbischofs vom 4. bis 6. Mai 2010 in unserem Dekanat:

 

1. Ein perfektes Dekanat

Dekanatsbesuche zählen zu den schönsten Veranstaltungen in seinem Terminkalender. Zumindest bekannte dies Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, zugleich Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) mit 11 Mio. Gläubigen und Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie deren Nahost-Beauftragter, zum Auftakt seines Besuches im Dekanat Schweinfurt. Am Ende seiner 12jährigen Amtszeit im kommenden Jahr wird er tatsächlich alle 68 bayerischen Dekanate visitiert haben. Der DB Schweinfurt gehörte demnach bereits zu seinen letzten.  Hier verbrachte er zwar drei Kalendertage, netto waren es aber nur eineinhalb Tage. Das von Dekan Oliver Bruckmann klug zusammengestellte, exakt getimte Programm bot jedoch viele Möglichkeiten der persönlichen Begegnung mit dem Bischof.

TAG 1: Di., 4. Mai 2010, 19.00 Uhr: Der Besuch begann mit einem Gottesdienst in St. Johannis-SW: Vor geladenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im vollen Kirchenschiff fragte "Deutschlands höchster Lutheraner" (so Dekan Bruckmann bei der Begrüßung) in seiner Predigt: „Wie sieht ein perfektes Dekanat aus?“ Und süffisant antwortete er mit der Idealvorstellung vieler Gemeindeglieder: „Es gibt keine Vakanzen. Die Pfarrerinnen und Pfarrer sind einerseits jung, anderseits bringen sie eine Jahrzehnte lange Amtserfahrung mit. Die Gemeinden sind super ausgestattet und die Gottesdienste gut gefüllt.“
Auch der Predigttext (Kolosser 3,12-17), in welchem der Apostel Paulus von den Gemeindegliedern Erbarmen, Freundlichkeit, Demut oder Sanftmut fordere, erwecke den Eindruck einer scheinbar perfektionistischen Gemeinde. Doch sei diese fast erdrückende Erwartungshaltung überhaupt erfüllbar? Die Realität sehe wohl anders aus, erläuterte der Bischof unter deutlicher Anspielung auf die kirchlichen Negativschlagzeilen der letzten Monate und den damit verbundenen Vertrauensverlust der Kirche, ablesbar an den hohen Austrittszahlen.
Vielmehr müsse man den vermeintlichen Anspruch des Paulus als Zuspruch verstehen. Christus habe dies alles längst für uns vollbracht. „Nur das Leben, das von ihm kommt, ist perfekt.“ Er verwandle uns in eine Gemeinschaft von Menschen, die Hoffnung, Dank und Freude ausstrahlten. [gesamte Predigt: hier klicken]
Der feierliche Abendgottesdienst wurde in einem Joint Venture der beiden Kantorinnen Andrea Balzer an der Orgel und Christel Hüttner, die mit der Kantorei von St. Johannis Stücke aus Haydns „Schöpfung“ vortrug, kirchenmusikalisch hochkarätig ausgestaltet. Beim anschließenden Empfang nahm sich der Bischof viel Zeit zu Einzelgesprächen mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern.  

 

   

    Dekan Oliver Bruckmann begrüßt den hohen Gast

(v.l.) Dekan Bruckmann, Landesbischof Dr. Friedrich, Pfrin. Elke Münster u. Kirchenvorsteherin Elisabeth Dämmrich (St. Johannis)
   
Sogar der St. Johannis-Mesner Karl Diezel ließ sich ein Autogramm geben.

                             Smalltalk beim Empfang in der Kirche

 

2. Zum Goldenen Buch: Abstecher nach Sennfeld

TAG 2: Mi., 5. Mai 2010, 7.30 Uhr früh: Bürgermeister Emil Heinemann hatte seine bedeutungsschwere Bürgermeisterkette angelegt, um am Eingang des Rathauses den Landesbischof und seine Begleiter in dem ehemals freien Reichsdorf und heutigen Gemüseproduzenten Sennfeld zu begrüßen. In seinem Büro machte er einen Streifzug durch die wechselvolle Ortsgeschichte – beginnend mit gefundenen Scherben aus dem 6. Jh. und endend mit den Scherben, die der Bombenhagel 1944 hinterließ, dazwischen natürlich die entscheidenden Daten 1317 (Bezeugung der Reichsfreiheit) und 1540: die Einführung der Reformation „bereits zwei Jahre vor Schweinfurt“. Auch erzählte der Bürgermeister der 4300-Seelen-Kommune seinen Traum von einer Revitalisierung der 1809 entdeckten Heilquellen mit EU-Mitteln: Bad Sennfeld!
Dr. Friedrich setzte anschließend seine Unterschrift ins Goldene Buch unter die Zeilen „Besuch der Kirchengemeinde Sennfeld durch den Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern.“
Gleich gegenüber in der Dreieinigkeitskirche waren inzwischen die Gemeinde, aber auch Schüler aus Schweinfurter und Schwebheimer Schulen zum Gottesdienst versammelt, an der Orgel: Bürgermeister Heinemann; „ein außergewöhnlicher Gottesdienst aus außergewöhnlichem Anlass“, wie KV-Vertrauensfrau Elma Bandorf bekundete, zugleich ihre Dankbarkeit darüber, dass die pfarrerlose Zeit bald zu Ende sei. Der Bischof legte die Tageslosung „Heile du mich, Herr, so werde ich heil. Hilf du mir, so ist mir geholfen“ (Jeremia 17,14) aus: Weder beim Arzt noch im Krankenhaus gebe es eine Garantie für Gesundheit. Sondern nur Jesus Christus könne wirklich an Leib und Seele heil machen. „Aus Glauben werden wir heil!“ Sicher überraschend für den mit eingezogenen katholischen Ortsgeistlichen Heinrich Knauer war, dass der Landesbischof in ökumenischer Weite auch des Tagesheiligen Godehard (Gotthart) von Hildesheim gedachte: „Er ist immer erst in die Stille gegangen und hat Gott um Rat und Hilfe gebeten.“

 

   
 

Oben: Lauter Strahlende Gesichter: Bürgermeister Heinemann, von hoher Geistlichkeit flankiert

Der Landesbischof bei seiner "ökumenischen" Andacht

Links: Shakehands am Kirchenportal, hier mit dem ehemaligen Sennfelder Pfr. Hans-Martin Pöschel

 

3. „Wir sind die Zentrale“: Begegnung mit dem Diakonie-Vorstand

9.00 Uhr: Der Landesbischof traf im Pflegezentrum Maininsel des Diakonischen Werkes Schweinfurt e.V. (DW) ein und durfte zunächst ein wenig den Blick über die Main-Staustufe auf die städtische Skyline genießen, ehe er sich über die Geschichte und gegenwärtige Dimension des DW unterrichten ließ. DW-Vorstand Pfr. Jochen Keßler-Rosa und dessen „rechte Hand“ Rosemarie Seßner, verantwortlich für den Geschäftsbereich Verwaltung und Finanzen, betonten die große diakonische Tradition Schweinfurts, beginnend in Wicherns und Löhes Tagen Mitte des 19. Jh.s, und präsentierten die facettenreichen und räumlich weit gestreuten Arbeitsgebiete bis einschließlich Bad Kissingen, doch mit Schwerpunktsetzung auf ambulanter und stationärer Altenpflege, dazu auch ihre vielen Partner wie das „Haus Marienthal“. Ein Jahresumsatz von 47 Mio. Euro und 1200 Mitarbeitende, von Schweinfurt aus verwaltet, rechtfertigten allemal den Titel „Diakonie Main-Rhön“. Keßler-Rosa: „Wir hier sind die Zentrale.“ Und Dekan Bruckmann ergänzte: „Auf unsere Diakonie können wir stolz sein.“
Als neue positive Entwickungen hob Pfr. Keßler-Rosa neben der Altenhilfe die Gerontopsychologie, die Offene Behindertenarbeit – in Kooperation mit der Evang. Fachakademie für Sozialpädagogik - und die vor kurzem gegründete Ehrenamtsakademie – die erste ihrer Art in Bayern! – hervor. Sie wolle das Bewusstsein für Ehrenamtlichkeit wecken und das soziale Miteinander in den Stadtteilen weiter entwickeln.
Aber auch Probleme verschwieg der Diakoniechef nicht: Zeit und Geld reichten bei weitem nicht für eine allumfassende Zuwendung und für eine adäquate Mitarbeiterzurüstung aus. Auch beklagte er den Fachkräftemangel auf dem Pflege- und Erziehungssektor. Insbesondere von den Kirchengemeinden wünschte er sich eine stärkere Wahrnehmung der Diakonie und ihrer Aufgaben.
Obwohl bereits in München vorinformiert, zeigte sich Dr. Friedrich nach dem Gespräch sichtlich beeindruckt vom Stellenwert des DW in Unterfranken.

 

   
Das Pflegezentrum Maininsel zeigte sich dem Landesbischof von seiner sonnigen Seite Nachhaltiger Gedankenaustausch (v.l.): Rosemarie Seßner u. Jochen Keßler-Rosa mit Dr. Johannes Friedrich

 

4. Dem „Dachs“ auf der Spur: Betriebsbesichtigung

10.00 Uhr: Natürlich durfte dem Landesbischof in dem Industriestandort Schweinfurt ein Betriebsrundgang nicht vorenthalten werden. Hierfür hatte der Dekan exemplarisch die Firma SenerTec Kraft-Wärme-Energiesysteme im Hafen ausgewählt, die den „Dachs“ produziert, laut Werbung "der Kessel, der sein Geld verdient." Diese Blockheizkraftanlage lässt sich dank ihrer Kraft-Wärme-Kopplung gleich zweifach nutzen: Mit der Abwärme wird geheizt, und der Generator liefert Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist, d.h. an den Stromversorger verkauft wird. Inzwischen befinden sich 23.000 „Dachse“ auf dem Markt; allein 2009 wurden 2.750 Stück hergestellt.
Dr. Friedrich richtete sein Augenmerk auf die Symbiose von Ökonomie (Energieeffizienz) und Ökologie (Klimaschutz). Vom Geschäftsführer Michael Boll nach der Position der Landeskirche zur Verbrennung von essbaren Pflanzen wie Getreide zu Heizzwecken gefragt, antwortete er, dass es dazu noch keine einheitliche Regelung gebe. Er selbst aber habe „massive Bedenken“ gegen den Raubbau an der Natur, z.B. in Südamerika, zu industriellen Zwecken.
Als vorbildlich bezeichnete der Landesbischof Betriebsklima und Arbeitsbedingungen der Firma SenerTec: Sie hat nicht nur für ihre Mitarbeitenden Gewinnbeteiligungsmodelle entwickelt, sondern hält auch Ausbildungsplätze für Azubis im technischen und kaufmännischen Bereich vor und versucht, für Leiharbeiter feste Arbeitsplätze zu schaffen.

 

   
Theorie: Informationen von Produktionsleiter Walter Hespelein und Geschäftsführer Michael Boll für die Geistlichkeit Praxis: Werksbegehung mit (v.l.) Produktionsleiter und Geschäftsführer; rechts: kda-Sozialsekretärin Evi Pohl u. Dipl.-Betriebswirt Nicolas Friedel

 

5. Blitzlichtgewitter: Pressekonferenz

11.30 Uhr: Nach eineinhalb Stunden Fachdiskussion und Begehung der Fa. SenerTec ging’s mit viel PS weiter zur im Kapitelsaal des Dekanates anberaumten Pressekonferenz. Vertreter von Mainpost, Saale-Zeitung Bad Kissingen, TVtouring und der Evangelischen Funkagentur lichteten Landesbischof Dr. Friedrich ab. Er zog eine erste Zwischenbilanz seines Besuches: dass er bisher „eine gute Stimmung erlebt“ und viele Einzelgespräche persönlichen und halbdienstlichen Inhaltes geführt habe. Auch dass er den Dekanatsbezirk Schweinfurt in „gutem Zustand“ vorgefunden habe, was vor allem der rührigen Arbeit des Dekans Oliver Bruckmann zu verdanken sei. Dieser erinnerte seinerseits an sein Krisenmanagement während der letzten beiden Jahre, als fast das halbe Dekanat von Pfarrstellenvakanzen betroffen war. Inzwischen habe sich die Situation entspannt, zumal auch die Kirchengemeinden Gochsheim und Sennfeld unmittelbar vor einer Neubesetzung stünden. Auch Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa war gekommen, um Rede und Antwort über "sein" Werk zu geben (s.o. Punkt 3).
Der Bischof musste Position beziehen zum derzeit regen Medieninteresse an sexuellen Missbrauchsfällen kirchlicher Amtsträger sowie zu den beunruhigenden Austrittszahlen, von denen leider auch die evangelische Kirche nicht verschont blieb: „Ich bin sehr dankbar für die Aufarbeitung. Wir geben alles, was uns bekannt wird, an die Staatsanwaltschaft weiter“ und: „Wer Kontakte zur Kirche hat, tritt nicht aus.“ Sein eindringlicher Slogan: „Nicht austreten, sondern auftreten!“

 

 
Am ovalen Tisch: Medienvertreter links - Kirchen-/Diakonievertreter rechts                            Porträtfoto-Shooting

 

6. Tischgemeinschaft beim Italiener

13.00 Uhr: Szenenwechsel: Ristorante Casa Aposto (ehemaliger Ratskeller). Auch ein Landesbischof wird mal hungrig. Zum Essen à la carte hatte das Dekanat einige VertreterInnen kirchlicher Dienste und Werke des Dekanates Schweinfurt eingeladen. Hier die Gästeliste: Evi Pohl (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt), Renate Käser (Landessynodale und Brasilienarbeit), Fred Keilhauer (Evangelisches Jugendwerk), Kornelia Schmidt (Evang. Erwachsenenbildungswerk), Kathi Petersen (Mitarbeitervertretung), Horst Ackermann (CVJM), Olaf Mauer (Johanniter-Unfallhilfe), Herbert Rupp (Ehrenamtsakademie-Leiter) und die Pfarrer Matthias Weigart (Fachakademie für Sozialpädagogik), Heiko Kuschel (Citykirche) und Dr. Siegfried Bergler (Öffentlichkeitsarbeit). Natürlich fand bei diesem Arbeitsessen im kleinen Kreis reger Gedankenaustausch statt.
Anschließend begaben sich Landesbischof und Dekan zu Fuß über den Marktplatz durch Schweinfurts Innenstadt zum Evangelischen Gemeindehaus – ein bisschen touristisches Sightseeing sollte schon sein.  

 

 
Dekan Bruckmann begrüßt die Geladenen; rechte Seite (v.r.): Cornelia Schmidt, Fred Keilhauer, Kathi Petersen, Herbert Rupp sowie Chauffeur Meyer und persönlicher Referent des Landesbischofs Kirchenrat Rüdiger Glufke Illustre Tischgäste gegenüber (v.r.): Horst Ackermann, Pfr. Heiko Kuschel, Olaf Mauer; links vom Landesbischof: Evi Pohl u. Renate Käser

 

7. „Unterfranken, du mein schönes Heimatland“: Dekanatsseniorentag

14.30 Uhr: Beim zweiten von ihm organisierten Dekanatsseniorentag konnte der Seniorenbeauftragte des Dekanats Diakon Norbert Holzheid mit sichtlicher Freude dem über zweihundert Köpfe zählenden Publikum aus so gut wie allen 27 Gemeinden den Landesbischof als Überraschungsgast präsentieren. Der ökumenische Chorus Pastorum unter Leitung von Günter Nürnberger, verstärkt um Pfrin. Grit Plößels hellen Sopran, begrüßte ihn würdig mit „Sei uns willkommen vieltausendmal, lieber Bischof“ (frei nach Hoffmann von Fallerslebens „Frühlings Bewillkommung“). In seinem Grußwort erinnerte sich Dr. Friedrich zunächst an das Evangelische Gemeindehaus, denn hier hatte einmal die Landessynode getagt und über die 1999 unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung (von Lutherischem Weltbund und Kathol. Kirche) zur Rechtfertigungslehre“ debattiert. Sodann bekundete er, dass dies tatsächlich einer seiner ersten Besuche bei einem Seniorentreff im Rahmen einer Visitation sei: „Ich sehe, was für eine lebendige Kirche wir sind.“
Einige Programmhighlights konnte der Bischof miterleben, so Mundartgedichte und  Kurzbeiträge zum Thema des Seniorentages: „So war’s, so ist’s, so wird’s“: U.a. gab der ehemalige Vorstand des Diakonischen Werkes Franz Lauerbach einen Rückblick auf die Entwicklung der Arbeit „für Menschen auf dem Wege ins Alter“ in Schweinfurt – vom „Feierabendkreis“ bis zum „Seniorenbüro“ heute. Immerhin sind fast 30% der Stadtbewohner über 60 Jahre alt.
Und Diakon Holzheid machte Mut, mit den Veränderungen im Alter zurechtzukommen: „Ich möchte keine 20 mehr sein. Leben wir bitte den Moment!“ Entscheidend sei nicht, wie alt man werde, sondern wie man alt werde.
Das Plenum entließ den Bischof standesgemäß mit der Unterfranken-Hymne: „Heimat, liebe Heimat, wie bist du so schön!“

 

   
Volles Haus: links der Landesbischof mit seinem persönlichen Referenten Rüdiger Glufke; ihm gegenüber Franz Lauerbach                    Diakon Holzheid hatte einen Volltreffer gelandet

 

8. Enge Stellen- und Arbeitsplatzsituation: das KGA

15.45 Uhr: In einem Sitzungszimmer im ersten Stock des Evang. Gemeindehauses war ein Gespräch mit Vertretern des Evang.-Luth. Kirchengemeindeamtes Schweinfurt (KGA) angesetzt. Die Doppelleitungsspitze, Dagmar Kohlmeyer und Diakon Rüdiger Thiel, stellten dem Bischof ihr Amt - das viertgrößte der evang. Kirche in Bayern! – und dessen Abteilungsstruktur vor: Es betreue 118 Rechtsträger, davon vier Dekanatsbezirke, 96 Kirchengemeinden und eine Gesamtkirchengemeinde sowie vier Stiftungen und die Fachakademie für Sozialpädagogik. Des Weiteren verwalte es 38 Kitas, von derzeit 1930 Kindern besucht, und 306 Gebäude. Für außerdem 960 Personalfälle und insgesamt 95.000 Buchungen pro Jahr stünden nur 26 Mitarbeitende zur Verfügung. Mit der derzeitigen Ausstattung könne man leider einige Aufgaben, die der Entlastung der Pfarrämter dienten, nicht wahrnehmen, beispielsweise die Übernahme der Gabenkassen. 
Neben den personellen wurden dem Bischof die räumlichen Engpässe vor Augen geführt; eine Bedarfs- und Raumanalyse sei längst fertig. Dr. Friedrich betonte, dass er die beschwerliche Situation, die man zwar kritisch, aber klaglos dargestellt habe, klar erkenne. Die Frage nach einer neuen Räumlichkeit bedürfe der raschen Klärung. Freilich liege ihm sehr an der Ausführung der seitens des KGA zurückgestellten Aufgaben.

 

   
Vor dem Gespräch wurde noch in die Kamera gelächelt: Dekan, KGA-Leiterin Dagmar Kohlmeyer und der Landesbischof Alle Probleme kamen auf den Tisch; zur Rechten die KGA-VertreterInnen (v.r.) Frau Langgun, Diakon Thiel, Frau Kohlmeyer u. Frau Heß 



 

9. Es geht uns doch recht gut: Pfarrkonferenz

16.30 Uhr: Gleich im Nebenzimmer begann die Pfarrkonferenz, die selten - inklusive Ruheständler - so vollzählig war. Nach einem „Mittagsgebet“, liturgisch geleitet vom stellvertretenden Dekan Pfr. Jochen Wilde, suchten die rund 40 Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanates den Austausch mit ihrem obersten Arbeitgeber unter dem Aspekt: Was ich den Landesbischof schon immer mal sagen und fragen wollte. Was motiviert und was belastet mich in meinem Amt? Eindeutig dominierten positive Statements wie: „Pfarrer ist ein Beruf, in dem ich frei bin und mich nur (?) meinem Gewissen verpflichtet fühle.“ „Ich kann Menschen helfen in ihren seelsorgerlichen Nöten.“ „Mich motiviert, dass ich mit Kollegen offen reden kann, die einen unterstützen.“ „Wir bilden ein Team, in dem die Zusammenarbeit gut funktioniert und auch theologische Unterschiede ausgehalten werden.“ Auf der Negativseite kam zu stehen: „Ich habe wenig Gelegenheit, kritische Theologie zu treiben.“ Des Weiteren wurden der pfarramtliche Bürokratismus und die schleichende finanzielle Auszehrung der Kirchengemeinden moniert. Auf die Frage an die Neulinge, warum sie sich im Dekanat Schweinfurt beworben hätten, traten eher private Motive zu Tage: Es sei eben das Heimatdekanat, oder die räumliche Nähe zur Arbeitsstelle des Ehepartners habe den Ausschlag gegeben.
Der Landesbischof resümierte seine in der Aussprache gewonnenen Eindrücke: „Es ist viel gelacht worden.“ Bei allen Belastungen hätten wir doch einen Beruf, wo wir in großer Freiheit das machen könnten, was uns wichtig erscheine. Es sei eine „wunderbare Sache“, Menschen zu helfen. Angesprochen auf den Pfarrerbedarf in naher Zukunft, machte er Mut: Zwar sehe jetzt die Landesstellenplanung eine Pfarrstellenreduktion um 5% vor, doch in gut zehn Jahren, wenn - zwischen 2020 und 2030 - etwa tausend Pfarrer in den Ruhestand treten würden, drohe eher die Gefahr der Unterbesetzung in den Gemeinden. Also ein Appell, zum Theologiestudium zu animieren!

 

   
Jede und jeder wurde einzeln begrüßt: hier Pfr. Edson Schumacher u. Pfr. Helmut Raßdörfer aus Niederwerrn Der Landesbischof notierte fast alles; links daneben Pfr. Jochen Wilde, rechts neben dem Dekan Citypfr. Heiko Kuschel

 

10. Empfang der Crème de la Crème aus dem öffentlichen Leben

18.30 Uhr: Immer noch im Evangelischen Gemeindehaus: Wie schon am Vorabend war wieder ein Empfang angesagt – diesmal für Honoratioren aus Politik, Kultur und Gesellschaft, daneben aber auch Vertreter aus der katholischen Kirche, von Behörden, Verbänden und Hilfsorganisationen (u.a. BRK, Caritas, Diakonisches Werk). Dekan Bruckmann beschränkte sich in der Begrüßung auf eine kleine, trotzdem schon stattliche Auswahl von Gästenamen und betonte, dass die Kirchen sowie die kirchlichen Dienste und Werke auf ein vertrauensvolles, konstruktives Verhältnis zu den staatlichen Behörden großen Wert legten.
In seinem Grußwort zitierte der Landesbischof die bekannte Sentenz des aus Schweinfurt stammenden Dichters und Philologen Friedrich Rückert, der seine Geburtsstadt lieber Mainfurt oder auch (nur) Weinfurt genannt hätte – jedenfalls „ohne den Zischer davor“. In lobender Bezugnahme auf die "Bündnis"-Demo gegen den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai - die größte, die Schweinfurt je sah - unter Mitbeteiligung der Kirchen sagte er: „Es kommt auf die Menschen einer Stadt und nicht auf ihren Namen oder ihre Lage an.“ Er habe hier durchgehend motivierte, einsatzbereite Menschen erlebt, die der Stadt und dem Dekanatsbezirk ein Gesicht geben würden. Im Blick auf die seit 2008 wieder steigende Zahl der Arbeitslosen griff er das tröstliche Motto des bevorstehenden Ökumenischen Kirchentages in München auf: „Damit ihr Hoffnung habt“. „Gott ist bei euch, und Menschen stehen euch zur Seite.“
Zu den prominentesten Gästen zählten Unterfrankens Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer und der frisch gekürte Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Beide warteten mit einem kirchenhistorischen Streifzug auf, wobei ersterer mit dem Datum 6.9.1802 – die freie Reichsstadt wird bayerisch - einsetzte, Remelé sogar bei der Einführung der Reformation 1542. Beinhofer rühmte evangelische Initiativen wie den Frauenbund, der sich um die Integration von Spätaussiedlern bemühe, das Citykirchen-Projekt, die „jungen stimmen“ und die „KisSingers“ - für ihn lauter Zeichen für „eine lebendige, innovative und zugleich der Tradition verpflichtete Kirche“. Remelé nannte seinerseits wichtige Zahlen für Schweinfurt: 16.300 Evangelische, 25.000 Katholiken, 12.000 (= 22%) Menschen ohne bzw. mit anderem Glauben. Er versprach, sein Möglichstes zur Stärkung der Ökumene im städtischen Leben zu tun. - Mit klassischen Klängen, dargeboten von Kantorin Andrea Balzer am Klavier und Bernhard Kimmel / Trompete, wurde das Büfett eröffnet.

 

 
Erste Reihe (v.l.): OB Remelé, Landesbischof Dr. Friedrich, Dr. Beinhofer, Dekan Bruckmann, kath. Stadtdekan Reiner Fries Wer zählt die Gäste, nennt die Namen! Ilse Heusinger (Dekanatsausschuss), Mäzenin Ruth Schäfer und Dekan
   
Auch Schweinfurts Schickeria hatte sich in Schale geworden (v.l.): Wiltrud Wößner, Pfrin. Gisela Bruckmann u. Landessynodalin Renate Käser Großer Dank an die Service-Mannschaft, hier am Flaschen-Bataillon St. Johannis-Sekretärin Gertrud Memmel u. KV-Mitglied Nicolas Friedel 

 

11. „Ich habe Sams“: In der Rückert-Grundschule und im Hort-Mitte

TAG 3: Do., 6. Mai 2010, 8.30 Uhr: Um die pädagogische Integration von Kindern aus verschiedenen Religionen und Kulturen geht es in dem bereits im dritten Jahr laufenden Projekt an der Friedrich-Rückert-Grundschule. Diese samt integriertem Kinderhort sollte die letzte Station der bischöflichen Visite sein. Schulleiter Günther Leo Redolfi und Hannelore Schäfer-Gärdes, die Vorsitzende des Stiftungsvorstandes der Evangelischen Kirchenstiftung Schweinfurt (s. Archiv 2006, Nr. 10), die das Projekt mit sechs Wochenstunden finanziert, begrüßten Dr. Friedrich und begleiteten ihn in eine interkonfessionelle Religionsunterrichtsstunde zum Thema „Unterschiedlich beten“. Kinder u.a. aus der Türkei, dem Iran, China, Vietnam und Afghanistan saßen einträchtig im Stuhlkreis zusammen und begrüßten sich gegenseitig mit Namen. Zwei Lehrerinnen, die Religionspädagogin und Projektleiterin Michaela Gobs-Knoche und ihre muslimische Kollegin Zeynep Cetinkaya, erfragten und erklärten christliche und islamische Gebete: Auf das Vaterunser folgte harmonisch die Rezitation der ersten Koransure. Gebetsteppich und –kette sowie Kopftuch durften nicht fehlen. Es ging ferner um Gebetszeiten, -haltung und –richtung. Vielleicht war sogar manche Information für Dr. Friedrich in der zweiten Reihe neu, der von 1985-1991 als Propst an der evang.-luth. Erlöserkirche mitten in Jerusalems arabischer Altstadt gelebt und täglich fünf Mal den Ruf des Muezzin gehört hatte.
Im Anschluss an den Unterricht stellten Rainer Brandenstein, der Geschäftsführer des Hauses Marienthal als Betreuer, und Heike Jauchstetter als Leiterin den Hort-Mitte vor. Hier werden die Grundschulkinder, von denen jedes vierte arm ist und zwei Drittel Migrationshintergrund haben, außerdem häufig hohen psychosozialen Belastungen im Elternhaus ausgesetzt sind, in Kooperation mit der Ganztagsschule versorgt, sogar bis 21.00 Uhr abends und auch am Samstag (der sog. Sams-Club): mit gemeinsamem Kochen, Essen, Hausaufgabenhilfe und Ausflügen. „Ich habe Sams“ wurde längst für viele zu einem geflügelten Wort.
Abschließend erläuterte Reli-Lehrerin Gobs-Knoche ihr pädagogisches Konzept: Stärkung der Sozialkompetenz und Förderung der Sprachkompetenz der Kinder, Bewegungserziehung – dies mit dem Ziel einer ausgeglichenen ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Die verschiedene Herkunft solle gerade zur Stärke führen. Zweimal im Jahr finden multireligiöse Schulfeiern statt, denn „jede Religion hat ihr Recht in gegenseitiger Wertschätzung. Religionen verbinden Kinder. Menschen verbinden Religionen.“

Mit diesem Schlusswort im Ohr bedankte sich der Landesbischof sichtlich beeindruckt, um exakt um 10.00 Uhr seine Limousine zu besteigen. Alle winkten ihm herzlich nach, wie er gen Hannover fuhr, und wandten sich dann wieder um nach Schweinfurt. Man ging zur Tagesordnung über.
Es sind auch noch viele andere Dinge, die Herr Landesbischof in Schweinfurt getan hat. Wenn sie aber sollten eins nach dem andern geschrieben werden … Last but not least fanden sicher mindestens zwei nächtliche Vier-Augen-Gespräche mit dem Dekan statt, denn schließlich stand auch dessen bald vierjährige Tätigkeit auf dem Prüfstand. Wie schon bei der Pfarrkonferenz wurde dabei ganz bestimmt viel gelacht …

 

   
           Nachhilfeunterricht in Sachen Gebet für die Geistlichkeit Leidenschaftliche, überzeugende Darbietung von Michaela Gobs-Knoche
   
Gruppenfoto zum Abschied (v.l.): Dekan Bruckmann, Frau Schäfer-Gärdes, Frau Gobs-Knoche, Landesbischof Dr. Friedrich, Frau Jauchstetter und Schulleiter Redolfi

Der Chauffeur steigt zum Landesbischof in den Dienstwagen, während unser Dekan sich schon über den gelungenen Besuch freut - zu früh?

Filmbeitrag: http://www.tvtouring.de/default.aspx?ID=1566&showNews=705648&newVideo=20100505_Landesbischof.mpg.flv

Text und Bilder: Dr. Siegfried Bergler