Dekanatssynode 2014/II zum Luther-Jubiläum 2017

Keine Heiligenverehrung des "Evangeliumsfinders"

Bitte genau hingucken: Luther - aus lauter Worten zusammengesetzt

Schweinfurt, 18. Oktober 2014. Die Herbstsynode des Dekanates tagte diesmal im Martin-Luther-Haus. Da das Luther-Jubiläum 2017 – 500 Jahre Thesenanschlag und Reformation – immer näher rückt, befassten sich diesmal – bestimmt nicht zum letzten Mal! – die rund 50 anwesenden Synodalinnen und Synodalen mit dem Thema „Luther heute?“

Eingangs hielt dazu Pfrin. Christhild Grafe eine heitere Andacht über touristische Luther-Andenken wie Luther-Servietten, -bier oder –Energydrink und stellte dabei besonders Luthers Konterfei auf einer Tragetasche vor – sehr sinnig in kalligraphischer Art aus Luther-Worten (u.a. „Bekenntnis“, „Wort“, „Bibel“) zusammengesetzt.

Es folgte der Vortrag “Was uns Luther heute noch zu sagen hat” von Pfr. Dieter Stößlein, der in Coburg eine halbe Stelle beim Erwachsenenbildungswerk und eine halbe Projektstelle für die Luther-Dekade inne hat. Stößlein betonte, dass es ihm nicht etwa um eine Glorifizierung Luthers gehe, sondern vor allem um die Frage zu tun sei, was Luthers Theologie heute noch austrage und wie Altes neu gesagt werden könne:

1. Theologischer Einstieg: Grundelemente von Luthers theologischer Position

1.1 Luthers Rechtfertigungslehre: Betrifft uns noch die „gnädige, unverdiente Zuwendung Christi“ „allein aus dem Glauben“? Das göttliche Gericht, vor dem sich Luther fürchtete, hat heute diesseitige Formen angenommen, z.B. die der vielen Kriege weltweit, der Beziehungskriege in Familien, des Mobbings am Arbeitsplatz. Angesichts steigenden Leistungs-/Erwartungsdrucks nehmen Versagensängste zu.

Deshalb Stößlein: „Die säkularisierte, diesseitige Form des Gerichts ist nicht unbedingt gnädiger als das Gericht Gottes. Die Erfahrung des Angenommenseins von Gott ohne Vorbehalt ist heute so heilsam und identitätsstiftend wie zu Luthers Zeit.“

1.2 Die vier reformatorischen Prinzipien: sola fide (allein der Glaube), sola gratia (allein die Gnade), solus Christus (allein Christus), sola scriptura (allein die Heilige Schrift). Besonders die Bibel, „Königin der Heilsbotschaft“, ist Richtschnur für das Leben.

1.3 Luthers Zwei-Regimenten-Lehre: Gott regiert die Welt durch die Obrigkeit (das politische, kommunale Amt) und durch Wort und Sakrament (das Predigtamt): Beide sollen sich in ihren unterschiedlichen Aufgaben gegenseitig unterstützen.

Daraus folgt unsere Weltverantwortung: der Dienst am Nächsten als Aufgabe jedes Christen; ethisch verantwortliches Handeln in Politik und Wirtschaft; die Wertschätzung des Berufs und dessen Ausübung zum Wohle der Gesellschaft; die alltägliche Arbeit als eine Gestalt unserer göttlichen Berufung; das Subsidiaritätsprinzip als Möglichkeit der Gestaltung von Gesellschaft.

2. Fragen und Kritik zum Reformationsjubiläum 2017

Frage: Welche Bedeutung haben Luther und die Reformation für die Kirche im 21. Jh.? Dies ist zugleich die Frage nach evangelischer Identität und Vergewisserung.

Theologische Antworten: Wiederentdeckung des Evangeliums, Rechtfertigung des Sünders, Priestertum aller Gläubigen, Freiheit.

Weil von Wittenberg die Reformation in die Welt ausging, ist das Reformationsjubiläum ein Ereignis von Weltrang: 400 Mio. Protestanten verbinden ihre geistig-religiöse Existenz mit dem reformatorischen Geschehen. Lebensbereiche wie Musik und Kunst, Sprache und Recht, Wirtschaft und Soziales sind von der Reformation geprägt.

Daher zeigt auch die Bundesrepublik am Luther-Jubiläum großes Interesse. Per einstimmigen Beschluss im Bundestag wurde die Bundesregierung beauftragt, Dekade und Jubiläum mit zu gestalten.

Es gibt aber auch Kritik am Jubiläum: Luther allein ist doch nicht die Reformation! Ihn gilt es auch kritisch zu sehen (Stichwort: Judenfeindschaft). Die Reformation lässt sich nicht auf ein Datum fixieren, sondern sie war ein Prozess. Was folgte, waren Konfessionskriege, Intoleranz (z.B. gegen die Täufer) und das Auseinanderbrechen der abendländischen Kirche in zwei große Konfessionskirchen.

Zudem waren Reformationsjubiläen (1817, 1917 …) immer zwiespältig. Auch gibt es unterschiedliche Interessen zu feiern, z.B. rein touristische, ökonomische.

Die Evangelische Kirche in Deutschland will bewusst keinen Personen- oder gar Heiligenkult betreiben, sondern Luther als „Evangeliumsfinder“, nicht etwa als Kirchengründer darstellen. „Es wird ein Anfang, aber kein Anfänger gefeiert!“

Vor allem muss das Jubiläum in ökumenischer Weite, unter Einbeziehung der katholischen Glaubensschwestern und –brüder, begangen werden.

Ein Grund, das Jubiläum zu feiern, hat ferner mit der Situation der Kirche in der Gesellschaft zu tun: Die Akzeptanz der Kirche nimmt ab. Ein Schwund an religiösem und kulturellem Wissen ist zu beobachten. Zunehmende Individualisierung und Pluralisierung fordern auch die Kirchen heraus. So leistet letztlich die Jubiläumsfeier einen Beitrag zur Bewahrung und Vergegenwärtigung evangelischen Profils.

3. Planungen im Blick auf das Reformationsjubiläum

3.1 – bundesweit

- 31.10.2016: Auftakt in Berlin mit Vorstellung der revidierten Lutherbibel

- zwischen Okt. 2016 und Mai 2017: internationaler Stationenweg durch 95 europäische Orte, die mit der Reformation verbunden sind

- Großgottesdienst zum Abschluss des Dt. Evang. Kirchentages in Wittenberg am 28.5.2017

- Weltausstellung der Reformation in Wittenberg sowie drei weitere Ausstellungen auf der Wartburg, in Torgau und Berlin

- Am 31.10.2017: Staatsakt in der Schlosskirche in Wittenberg

3.2 – in der ELKB

- Mai - Nov. 2017: Landesausstellung in Coburg: „Ritter, Bauern, Lutheraner“

- 31,10.2017: Feste in vielen Orten Bayerns, aber keine zentrale Veranstaltung!

 

Im Anschluss an seinen Vortrag gab Pfr. Stößlein Impulse zu sechs Themen aus der Luther-Dekade, über die man sich in Gruppen nach der sog. „open space“-Methode austauschte. Die erarbeiteten Ergebnisse/Impulse wurden sodann dem Plenum vorgestellt:

1 TOLERANZ: Zwar war Luther Toleranz im modernen Sinn fremd, doch hat die Reformation den gesellschaftlichen Pluralismus, die Religionsfreiheit und die Toleranzforderung indirekt vorbereitet. Wie lässt sich „Toleranz“ mit Leben füllen?

- Ökumene, Menschenrechte, Bekenntnis und Gleichgültigkeit

Gruppenergebnis: Verhindert etwa Toleranz eine nötige Auseinandersetzung? Meinungsbildung ist im Dialog möglich. Toleranz hat auch mit Ertragen um des Friedens willen zu tun; Plädoyer für klaren Positionsbezug.

2  FREIHEIT: Ist sie ein angeborenes Naturrecht oder von Gott geschenkt? Was hat unsere Vorstellung von Freiheit mit dem Freiheitsbegriff der Reformation – ein Christ ist allein an Gott gebunden! – zu tun? Wovon und wofür bin ich frei?

- Freiheit: von, zu, durch Glauben

Gruppenergebnis: Ich kann/darf entscheiden (kein Muss!). Damit ist (Selbst-)Verantwortung verbunden. In der Spannungssituation Freiheit – Verantwortung braucht es Orientierung.

3  BILDUNG: Die Reformation war eine Bildungs-Bewegung; z.B. trat der Mit-Reformator Philipp Melanchthon, der „Lehrer Deutschlands“, für eine ganzheitliche Kinder- und Jugenderziehung ein. Somit hat sich auch die Kirche als Bildungsträgerin zu verstehen. Welche Bildung brauchen wir heute – in Kindergärten, Schulen?

- Anspruch an Bildung als Christen, Kindertagesstätten, Schul-/Erwachsenenbildung

Gruppenergebnis: Es muss um die Vermittlung von Leitbildern, Werten, Wissen gehen. Bildungsangebote bieten einen „Andockpunkt“ für Nicht-Kirchgänger und damit die Chance, dass auch sie gute Erfahrungen mit Kirche machen.

4  POLITIK: Die Reformation hat das bürgerschaftliche Engagement gestärkt. Auch ist das Subsidiaritätsprinzip ein wesentlicher Beitrag für ein Zusammenleben in Freiheit. Wie ist es um soziale Gerechtigkeit bestellt? Stichworte: Asyl- und Obdachlosenarbeit, Beratungsstellen, Tafeln, Pflegeeinrichtungen

- öffentliche Verantwortung, soziale Frage und Frage nach Gerechtigkeit, Subsidiarität

Gruppenergebnis: „Angst“ vor Politik“ oder: Politische Predigt? Der/die Protestant/in hat sich zu äußern.

5  MUSIK: Sie war der Herzschlag der Reformation und eine Form der Verkündigung des Evangeliums, laut Luther „die beste Gottesgabe“.

- Liturgie und Musik im Gottesdienst, Liedwünsche bei Kasualien, 20+2 – ist das alles?

Gruppenergebnis: Musik verbindet/fördert die Gemeinschaft. Bitte keine Scheu vor moderner Musik im Gottesdienst, aber Plädoyer auch für älteres Liedgut; auf eine „gesunde Mischung“ achten!

6  MEDIEN: Die Reformation als „Medienrevolution“: Bilder waren neben der Bibel das Kommunikationsmedium, um die Inhalte der Reformation weiter zu tragen. Welche Bilder findet der Glaube heute; wie lässt sich die Botschaft durch Medien, Bilder und Sprache vermitteln?

- Luther und facebook? Kunst und Kultur

Gruppenergebnis: Menschen sind über innere Bilder ansprechbar. Früher dienten Bilder der Hilfestellung für Analphabeten. Gilt dies nicht auch für heute, wo unter jungen Leuten Lesen nicht so angesagt ist? Facebook-Einträge ohne Bilder wirken nicht. Neue Medien haben zwar andere Inhalte und sind aktueller, aber letztlich gar nicht so neu.

 

Es folgte, wie üblich, der Geschäftsteil der Synode, den Dekan Oliver Bruckmann moderierte:

           1. Planungen / Projekte 2015-2017

           2015: Jahresthema der Lutherdekade ist „Bild und Bibel“ an: die Frage nach religiösen Bildern heute.

           Dazu findet Schweinfurt-spezifisch das „Projekt 16 19 21“ mittels dreier Ausstellungen statt:

  • im Museum Otto Schäfer (Schwerpunkt: 16. Jh.): Bildungsprogramme in Bibeln vor, während und nach der Reformation

  • im Museum Georg Schäfer (Schwerpunkt: 19. Jh.): der 26-teilige Gemäldezyklus „Biblische Landschaften“ des Landschaftsmalers Johann Wilhelm Schirmer (1856/57).

  • in der Kunsthalle (Schwerpunkt: 21. Jh.): Triennale III der zeitgenössischen Kunst („Gott und die Welt“).

    2016: Es gibt noch keine konkrete Planung zum Dekade-Thema „Gott und die Welt“.

    2017: In Schweinfurt wird neben dem Luther-Jubiläum auch der 475. Jahrestag der Einführung der Reformation (1542!) begangen. Hierzu arrangiert die Stadt eine Ausstellung im Gunnar-Wester-Haus.

    Am 31.10. wird es natürlich in St. Johannis einen Festgottesdienst geben, vielleicht sogar mit dem Landesbischof

    Der Dekan bat die Synodalen, in ihren Kirchenvorständen zu besprechen, was die Gemeinden zum Reformationsjubiläum 2017 beitragen können.

     

    2. Sonstiges

    Der Dekan stellte Jaqueline Meyer vor: Sie ist die mit der Überführung der Ehrenamtsakademie ins EBW betraute Projektleiterin und will mit den Gemeinden in Kontakt treten zwecks Gewinnung neuer Ehrenamtlicher und zwecks deren Aus- und Fortbildung.

    Sodann warb der Dekan für die Vesperkirche in St. Johannis vom 18.1. - 8.2.2015 und bat um Unterstützung ideell, finanziell, vor allem durch Mitarbeitende.

    Ferner informierte Bruckmann: Der Dekanatsausschuss hat den Haushaltsplan 2014 des Dekanates mit 446.889 Euro in Einnahmen und Ausgaben beschlossen. Ebenfalls beschlossen wurde die Jahresrechnung 2013 mit 534.792 Euro in Einnahmen und 497.881 Euro in Ausgaben bei einem Saldovortrag von 36.911 Euro.

     

    Die Sitzung schloss um 13.00 Uhr mit einem gemeinsamen Vaterunser.

    (Dr. Siegfried Bergler)

 

Erinnern Sie sich noch an die Frühjahrssynode 2014? Hier der LINK:

https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/dekanatssynode-2014i-bin-ich-gut-genug

Und 2013/II? https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/dekanatssynode-2013ii-kein-alter-hut

 

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