"Du siehst mich" an Fronleichnam

Evangelischer Gottesdienst auf dem Jahnsplatz

Die drei Liturgen (v.l.): Pfr. Andreas Grell, Pfrin. Gisela Bruckmann, Christine Heinemann

Schweinfurt, Fronleichnam 15. Juni 2017. Am urkatholischen Feiertag ist es seit Jahren Brauch, dass die evangelischen Kirchen Schweinfurts zu einem Open-Air-Gottesdienst auf dem Jahnsplatz neben dem Wildpark an den Eichen einladen. Von daher galt ein spezieller Gruß der Geistlichen den katholischen Gemeinden, die währenddessen an der Fronleichnamsprozession auf Schweinfurts Straßen teilnahmen.

Ein brillanter Tag, der bestimmt 500 BesucherInnen auf den Sportplatz lockte. Die Park- und Schattensitzplätze waren längst belegt, als das Glockengeläut vom Band über Lautsprecher den Beginn markierte, Wolfhart Berger dem Evangelischen Posaunenchor Schweinfurt das Einsatzsignal zum Vorspiel gab und danach ausgewählte schöne Gesangbuchlieder begleitete, beginnend mit der „güldnen Sonne voll Freud und Wonne“ bis zum „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“ am Ende.

„Du siehst mich“: Noch einmal griffen die Ausführenden, Pfarrerin Gisela Bruckmann/SW-St. Salvator und Pfarrer Andreas Grell/SW-St. Johannis, das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentages im Reformationsjubiläumsjahr auf. Deshalb stand Psalm 139 als Gebet und Lesung - seitens Christine Heinemann, Kirchenvorsteherin in St. Salvator, im Zentrum: „Du – Gott – siehst alle meine Wege … Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war … Siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“

„Du siehst mich“ - ein Satz, der recht ambivalente Gefühle hervorruft! In der recht lockeren Dialogpredigt beider Pfarrer ging es um die große Bedeutung für Menschen generell, angeschaut zu werden. Freilich würden sich manche geradezu danach drängen, gesehen zu werden. Stichwort: Selfies! Doch wehe, wenn jemand übersehen, übergangen wird: wie unbedeutend und klein der- oder diejenige sich dann wohl fühlen dürfte. Andererseits mag man aber nicht beobachtet werden -, auch von Gott nicht, „der Oberinstanz für unsere Fehler“. Unliebsame Erinnerungen an die Kindheit wurden artikuliert, z.B.: „Der liebe Gott sieht alles“ oder das bedrohlich wirkende Kinderlied: „Pass auf, kleines Auge, was du siehst“ mit dem Refrain: „Denn der Vater im Himmel schaut immer auf dich“ - eben so wie in besagtem Psalm. Pfrin. Bruckmann wies darüber hinaus auf die anfängliche Angst Martin Luthers vor dem strengen Richtergott hin. Reminiszenz ans Luther-Jahr!

Doch sei es wiederum auch hilfreich, dass Gott alles sehe, vor allem die Not von uns Menschen. Dazu erzählte Frau Bruckmann die alttestamentliche Geschichte von Abrahams Frauen Sara und Hagar, seiner Magd, mit der er ebenfalls ein Kind zeugte: wie Hagar mit ihrem Ismael in die Wüste vertrieben wurde und ein Engel sie dort fand. Das bedeute: Gott ging ihr nach, weshalb Hagar aufatmen und bekennen durfte: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Auch in uns allen stecke ein ähnlich tiefes Bedürfnis, dass Gott uns – wie damals Hagar – sein Gesicht zuwenden möge. Und tröstlich: „Gott sieht, dass in uns Potenzial zum Guten da ist.“

Im Fürbittengebet gedachte Pfr. Grell unter anderem der in unserer Gesellschaft und Umfeld Übersehenen.

In das (nur) als Nachspiel gedachte „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ stimmten alle fröhlich mit ein, es gab viel Applaus – nicht zuletzt dem Organisator Diakon Norbert Holzheid, der sich darüber freuen durfte, dass alle spontan mithalfen, die Bierbänke und Stühle aufzuräumen. Das Stadion wurde sozusagen besenrein dem Fußball zurückgegeben.