Dritte "Nacht der offenen Kirchen"

Unterhaltsamer Bummel durch Schweinfurts Gotteshäuser

Mehr Licht in der Nacht! Die sog. "Licht-Kirche" St. Kilian

Schweinfurt, 2. Oktober 2013. „Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen, ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; und jeder geht zufrieden aus dem Haus.“ Das geflügelte, ironische Goethe-Wort traf auf Schweinfurts lange „Nacht der offenen Kirchen“ vor dem „Tag der Deutschen Einheit“ voll zu. Wieder, wie vor zwei Jahren, lassen sich nur Streiflichter setzen (vgl. https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/nacht-der-offenen-kirchen-2011). Auf Vollständigkeit wird deshalb kein Wert gelegt. Denn alle zwölf Stationen, sprich „Themenkirchen“ - in einem großzügig erweiterten Innenstadtbereich teils mehr als einen Kilometer voneinander entfernt -  sind in vier Stunden einfach nicht zu schaffen.

Den gemeinsamen Auftakt bildete in ökumenischer Eintracht ein „Impuls“ der Dekane Oliver Bruckmann und Reiner Fries auf dem Martin-Luther-Platz. „Die Kirche ist offen: offen für Menschen, die sich nach Liebe und erfülltem Leben sehnen; offen für Gott und seine frohe Botschaft; offen für die vielen Formen und Möglichkeiten, Gott und einander und sich selbst zu begegnen“, so Bruckmann original. Sodann rief er alle für seinen Kollegen Fries zur Solidarität per Unterschriftenaktion auf. Fries hatte während einer NPD-Kundgebung die Glocken von Heiliggeist läuten lassen und deswegen eine Anzeige erhalten.

Aber nun zügig los: Wir starten unsere Rundtour an der Peripherie, in St. Kilian, die sich als Licht-Kirche präsentiert. Natürlich beginnt eine Licht-Installation zum Thema „Schöpfung – Es werde Licht“ im Dunkeln. Moderiert von Diakon Georg Kirchner und der katholischen Jugendkirche, erscheinen auf zwei Wänden Projektionen vom Universum und dem blauen Planeten, synchron unterlegt mit eingespielter Musik und Laser-Technik. Rhetorische Lichtassoziationen werden zum Besten gegeben: „Licht fasziniert, macht die Nacht zum Tag, verzaubert …“ und natürlich "das Licht der Welt erblicken", sodann die biblische Schöpfungsgeschichte unter dem Farbenaspekt frei nacherzählt:  Gelb – es werde Licht; Blau – der Wassersegen des 2. Tages, Grün – Tag Nr. 3, Orange – für die Erschaffung von Sonne, Mond und Sternen am 4. Tag usw.

Nach diesem meditativen Input aber rasch weiter zur evangelisch-methodistischen Kirche im Außenbezirk, wo die Wort-Schöpfer bereits munter am Werk, doch nur zwanzig Besucher anwesend sind: „Vielfältig redet Gott gegen alle Sprachen“ (die Sprachverwirrung von Babel!), „in allen Sprachen“ (das Sprachenwunder an Pfingsten!) und „über alle Sprachen verständlich hinaus“ (das Hohelied der Liebe des Apostels Paulus). Dieselben Bibeltexte werden auf Russisch, in Englisch, Französisch und Italienisch dargeboten, ferner in verschiedenen deutschen Mundarten, darunter auf Plattdüütsch. Dazwischen spielt die Joe-Hofmann-Band „Bracketz“ eher sanfte Kirchentagsweisen wie „Laudate, omnes gentes“ und „Gott gab uns Atem“.

Atemlos und trotzdem zu spät rüber in die Kapelle im ersten Stock des Kolpinghauses, wo sich die Familien- und Erzählkirche präsentiert. Gerade eben haben zwölf Studierende der Johann-Hinrich-Wichern-Fachakademie für Sozialpädagogik samt ihrem Leiter Pfr. Matthias Weigart und drei Dozentinnen elf Kinder mit ihren Eltern beglückt, indem sie ihnen mit der sog. Kett-Methode im Sinne ganzheitlicher religiöser Erziehung die Geschichte vom barmherzigen Samariter spielerisch-kreativ nahebrachten.

Während noch aufgeräumt wird, steht schon Hans Driesel und ein Schwung seiner Lektüre beflissenen älteren Fans vor der Tür. Er wird gleich eine „Levitenlesung“ mit Texten von Abraham a Sancta Clara halten.

Weiter zum nächsten Highlight: Andreas Duft, seines Zeichens evangelischer Pfarrer in Euerbach, und Claudia Dettmar haben ihre Nachnamen gekürzt, um das Gesangs- und Gitarrenduo „DuDett“ zu bilden, aber auch Mundharmonika, Blockflöte und Schellenring kommen zum Einsatz. In der Gustav-Adolf-Kirche singen sie gern Gehörtes und zum Mitsingen Motivierendes wie „O happy day“ oder den Bill Withers-Song „Ain’t no sunshine“, hauptsächlich aber selbst geschriebene und komponierte Sehnsuchtslieder „von Zeiten, Ländern, Leid und Liebe“, darunter Texte wie: „Vorbei, vorbei, verzeih, verzeih, und ich bin wieder frei.“ Das Duo sinniert – manchmal leider zu introvertiert-leise - darüber, was ein Zuhause zu einem Zuhause macht, wünscht sich, noch einmal Liebe zu lernen – „zusammen und allein“, und stellt fest, dass zu lieben „gar nicht so schwer“ sei. Natürlich kommt dabei die von Gott gewollte Liebe nicht zu kurz.

Manche Besucher fühlen sich ein wenig gestört, weil draußen immer wieder eine Glocke bimmelt, befestigt an einem Bauwagen. Evi Pohl, die Sozialsekretärin des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (kda), ist stolz, die Bauwagenkirche präsentieren zu können. Diesmal war Schweinfurt schneller als Würzburg, wo in der zeitgleich stattfindenden „Nacht“ der Waggon sonst steht. In über 1000 Arbeitsstunden haben Ehrenamtliche der evangelischen Kirchengemeinde Marktredwitz diese rollende „Kirche vor Ort“ konstruiert und ausstaffiert. Pohl will natürlich nicht nur sie bekannt machen, sondern mit ihrem Team auch Infos über den kda, kab und die afa geben: Eine unkomplizierte Begegnung, auch zum Ausruhen oder zum Gebet, gelingt an diesem Abend hier aber kaum. Denn direkt daneben ist einer der beiden Verpflegungsstände aufgebaut; man wirbt in dieser kühlen Nacht um Kundschaft.

Eigentlich soll nun eine Stippvisite im Gesprächsladen erfolgen, weil es dort um „Sprüche klopfen“ geht. Aber ein Blick in den Laden zeigt Leiter Robert Bundschuh gerade in einer intensiven, intimen Gesprächsrunde. Es ziemt sich einfach nicht, „members only“ zu stören.

Also zurück zum Martin-Luther-Platz und nach St. Johannis: Diesmal firmiert das evangelische Hauptgotteshaus als „Kirche der jungen Künstler“ und trägt ganz die Handschrift der Evangelischen Jugend Schweinfurt. Eine Bilder-, eine Foto-Ausstellung und natürlich viel fetzige Musik rechtfertigen den Namen „Triple Art Church“ für jüngeres, mehr noch für jung gebliebenes Publikum. Schade, dass die Künstler der „Dichterschlachtschüssel“, englisch: „poetry slam“, nicht eintreffen. Dafür sind zwei von den Pirates &  Pumpkins da: die Schüler Jonas Weger und Darius Sultani (guitar/vocals/bass) „covern“ gerne Songs und spielen Pop-Punkrock. Nur scheint die Dekanatskirche für die beiden jungen Stimmen noch etwas zu groß ausgelegt.

In der Filialgemeinde St. Salvator im Zürch ist um 22.30 Uhr nur noch der harte Kern des Organisationsteams anzutreffen. Obwohl St. Salvator das älteste Schweinfurter Gotteshaus ist, hat man das Thema „Kirche im Lauf der Zeit“ schon abgehandelt. Äußerst akribisch-sachkundig hielt Christa Weinzierl einen Bildervortrag über die wechselvolle Geschichte, umrahmt von viel Musik aus ebenfalls unterschiedlichen Epochen und Stilrichtungen.

Also weiter zum Ausklang des Abends in den katholischen Sektor, in die Kapelle der St. Anton-Kirche, die an diesem Abend bereits ihrem Motto als „Kirche der Vielfalt“ gerecht geworden ist. Unter anderem war es hier um Maria im Koran gegangen, sodann unter großem Publikum die argentinische Misa Criolla von Ariel Ramírez, geleitet von Juan Osorio, aufgeführt worden.

Aber nun mit 30 Teilnehmenden eine stille, meditative Taizé-Andacht - wieder gestaltet von Andreas Duft und Claudia Dettmar, die von Gustav Adolf hergeeilt sind. „Nada te turbe“ – „Nichts soll mehr stören“: Allein schon ihr erstes Lied ist Programm. Auch mittels improvisierter Zwischenspiele bremsen sie aus. Kerzenanzünden als „Lichtfunke der Phantasie“ und immer wieder viel „Zeit zur Besinnung“. Am Schluss, schon nach Mitternacht, löschen sie die Kerzen. Pfr. Duft mit gewohntem Pathos: „Der Gottesdienst ist vorüber. Aber Gott will uns dienen ein Leben lang – und darüber hinaus.“

Damit gehört auch die dritte „Nacht der offenen Kirchen“ der Vergangenheit an. Bleiben dürfte, was der schon zitierte spanische Song auf den Punkt brachte: „solo Dios basta“.

Kritisches Nachwort: Nein, die mit 3500 offiziell kommunizierte Besucherzahl dürfte zu hoch gegriffen sein. An etlichen Veranstaltungsorten gab es durchgehend freie Plätze. Dicht gedrängt saß man allenfalls in Heilig-Geist, wo insbesondere Kantor Martin Seiwert mit Kirchen- und Chormusik vom Feinsten aufwartete. Trotz zu beobachtender reger Fluktuation selbst während der Veranstaltungen sah man merkwürdigerweise auf den Straßen immer nur einige eilende Schatten. Nicht einmal Dekan Bruckmann kreuzte diesmal geschwind mit Fahrrad den Fußweg.

Andererseits war es für manche ein bisschen zu viel, zu bunt. „Weniger wäre mehr gewesen“, so hörte man öfters. Vielleicht richten sich die Planer der nächsten „Nacht“ 2015 weniger nach Goethe, vielmehr nach Antoine de Saint-Exupéry: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ Letzteres kann man.

 

(Erinnern Sie sich noch an die erste Nacht 2009? https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/das-war-sie-die-erste-nacht-der-offenen-kirchen-schweinfurt)