Fragt Gott nach unseren Werken? Ja!

Festgottesdienst am Reformationstag 2015

Dekan Oliver Bruckmann (r.) verpflichtete seinen Freund Dr. Günter Breitenbach schon vor drei Jahren für die Predigt am Reformationstag 2015.

Schweinfurt, 31. Okt. 2015. Reformationstag! Von Luthers reformatorischer Großtat, seinem vermeintlichen Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg, war nichts zu vernehmen. Im schon traditionellen Festgottesdienst in der wieder voll besetzten St. Johanniskirche ging es diesmal vielmehr um die guten Werke. „Haben es die Evangelischen leichter?“ fragte Dekan Oliver Bruckmann in seiner Begrüßung. „Müssen sie nichts tun, um in den Himmel zu kommen? - Oder fragt Gott doch nach unseren Werken?“

Damit war das Tagesthema gestellt, und Gastprediger Dr. Günter Breitenbach, der ehemalige Dekan von Würzburg (1999-2011), seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Diakonie e.V., „einer der größten Einrichtungen unserer Kirche“ (Bruckmann), und Rektor der Rummelberger Diakone und Diakoninnen, versuchte darauf zu antworten.

Seiner Predigt legte er Jesu Rede vom Weltgericht („Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“, Matthäus 25,31-46) und ein allen ausgeteiltes Bild der sog. sieben Werke der Barmherzigkeit in Gestalt der sieben „Almosenpfleger“ oder Diakone der Urkirche - mit Philippus in der Mitte (s. Apostelgeschichte 6) - zugrunde. Wie eine Predella hänge dieses Altarbild aus dem Jahr 1927 in der Philippuskirche Rummelsberg und erinnere an den diakonischen Auftrag, sich der Kranken, Behinderten, sozial Schwachen und Flüchtlinge anzunehmen, - so Breitenbach.

Ja, es gebe dereinst ein Gericht nach den Werken, „nach den guten jedenfalls“: „Am Ende aller Tage, aller Kämpfe wird der wahre Mensch – der Menschensohn – auf dem Richterstuhl sitzen und uns und die versammelten Völker fragen, was wir den Geringsten getan haben oder nicht. Selbstrechtfertigung ist da nicht mehr möglich.“

Leider habe das reformatorische Erbe die Verpflichtung zum Handeln verkannt. Hierzu unternahm Breitenbach einen kunstgeschichtlichen Exkurs und zeigte auf, dass die „Werke der Barmherzigkeit“ im evangelischen Raum eher selten dargestellt, hingegen während der Gegenreformation von katholischer Seite stark propagiert wurden. Doch letztlich habe es für Luther und das Augsburger Bekenntnis (CA 4) den Kontrast Glauben – Werke gar nicht gegeben. Nur sollten die Werke nicht aus Berechnung, sich damit das Himmelreich verdienen zu wollen, getan werden, sondern aus Dankbarkeit für Christi Zuwendung. Das Evangelium vom gnädigen Gott und die diakonische Tat gehörten untrennbar zusammen.

Barmherzigkeit sei „der einzige Weg richtigen Zusammenlebens“. „Wenn wir Tränen abwischen und einander Jesu Wort 'Ich mache alles neu' zuflüstern, dann ist dies das Jüngste Gericht.“ Nur das Vergeben könne uns zum Leben führen. Wir sollten Hirn, Herz und Hand dazu benutzen, um einander Wärme, Hoffnung und Perspektiven zu ermöglichen.

Natürlich kam Rektor Breitenbach auch auf die aktuelle Situation der Flüchtlinge aus dem Nordirak, Syrien und dem Mittelmeerraum zu sprechen. Jesu Botschaft habe dadurch eine bedrängende Konkretheit erfahren. Gerade das Barmherzigkeitswerk „Fremde beherbergen“ trage zurzeit einen besonderen Akzent. Breitenbach kritisierte die vielen Talkshows zum Thema, die nur unnötige Worte machten, aber keine Taten folgen ließen.

Für ihn sind die sieben im Bild dargestellten Werke bzw. Diakone der Barmherzigkeit sieben verschiedene Christus-Bilder. „Erst das Kreuzesgeschehen zeigt uns die Tiefe der Werke der Barmherzigkeit. Der, dem so viel angetan wurde, sagte: 'Vater, vergib ihnen!'“ Mit Christus als diakonischem Vorbild seien die sieben Werke „Leit-Bild für Lutheraner im besten Sinne des Wortes“.

Als Lied nach der Predigt passte treffend „Brich mit den Hungrigen dein Brot“ (EG 420). Selbstverständlich durfte die Gemeinde aber auch den Luther-Choral von der festen Burg und das Reformationslied „Es ist das Heil uns kommen her“ singen – angestimmt im Wechsel von Orgel (KMD Andrea Balzer) und Bezirksposaunenchor (Leitung: Peter Dietrich). Dieses aus Dekanatsgemeinden wie Euerbach, Niederwerrn, Obereisenheim oder Poppenlauer rekrutierte Ensemble beging just sein 60-jähriges Gründungsjubiläum und feierte anschließend im Martin-Luther-Haus.

In der Kirche gab es nach dem Gottesdienst den gewohnten Stehempfang mit Gedankenaustausch. Anwesende Katholiken wie Stadtdekan Stefan Redelberger und ACK-Vorsitzender Diakon Dr. Michael Wahler zeigten sich zufrieden darüber, dass keine falschen Gegensätze, sprich Gräben zwischen Evangelischen und Katholiken mehr konstruiert würden.

 

Hier die Links zu Reformationstag-Gottesdiensten der Vorjahre:

2014: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/traum-trauma-traumtaenzer

2013: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/glaube-toleranz-tolerant-a...

2012: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/ein-zweiter-christus-werden

2011: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/archiv-2011ii-juli-dezember (dort der 5. Bericht)

2010: Orgelkonzert mit KMD Andrea Balzer (!)

2009: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/archiv-2009ii (dort der 3. Bericht)

2008: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/archiv-2008ii (dort der 3. Bericht)

2007: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/archiv-2007 (dort der 8. Bericht)