Sturz ins Sommerloch

Mit dem Pfarrkapitel unterwegs

Berauschendes Ostheim vor der Rhön; im Hintergrund die Kirchenburg

Schweinfurt/Ostheim v.d.Rhön, 16. Juli 2012. Einst gab’s den sog. Erdbeerkonvent. Immer noch gibt’s den fast dreitägigen Familienkonvent im Frühsommer, vorzugsweise am Ellertshäuser See, sodann das feierlich-besinnliche Adventsbeisammensein mit Geigen-, Posaunen- und gesanglicher Improvisation, und so alle zwei Jahre gar eine Auslandsreise, z.B. nach Finnland inkl. Saunabesuch (?). Sage also niemand, dass für die Pfarrerinnen und Pfarrer im Dekanat Schweinfurt nichts Geistliches oder Kulturelles auf die Beine gestellt, sondern nur der übliche Pfarrkonferenzen-Turnus mit seiner Regularien-(bonjour)-Tristesse gepflegt würde. Unser Dekan samt seinem Konferenzorganisationsteam hat einfach tolle Ideen.
So kam jüngst die Einladung zur externen Sommerkonferenz gerade zur rechten Zeit. Kurz vor Ferienbeginn, das Sommerloch oder den Vertretungsmarathon schon vor Augen, erfreute sich die Geistlichkeit, selten so vollzählig wie diesmal, des schönen Wetters und der Luftveränderung in der nahen Rhön. In den Luftkurort Ostheim ging nämlich mit Kind und Kegel die Tour – und dort gleich schnurstracks ins Orgelmuseum im Schloss Hanstein: "Tauchen Sie ein in die 2000-jährige Geschichte der Orgel", steht im Flyer zu lesen. Man muss es ja nicht gleich übertreiben.
Wer für gewöhnlich schon beim Wort „Museum“ Müdigkeit signalisiert und gar bei „Orgel“ endlose Nostalgie von Anno dazumal befürchtet, wurde – wenigstens diesmal – eines Besseren belehrt. Absolut munter und abwechlungsreich fiel die Besichtigung der "Königin der Instrumente" mit dem sach- und spielkundigen Jörg Schindler-Schwabedissen aus, garniert mit Live-Hörbeispielen, von denen sich mancher heimische Kirchenmusiker etwas hätte „abschneiden“ können. Die werten Kolleginnen und Kollegen wussten am Ende sogar, dass es auch Wasser- und Taubenei-Orgeln gibt. „Wer wird Millionär?“ ließ heftig grüßen!
Ostheim, politisch natürlich zu Bayern gehörig, liegt keine fünf Kilometer von Thüringen entfernt, war aber – welch ein Unikum – kirchlich von 1945 bis 1972 eine thüringische Enklave. D.h., ein Pfarrer von „drüben“ versah seinen Dienst jenseits oder diesseits des Stacheldrahtes – je nach Betrachtungsweise. Auch wenn er sich im freien Westen völlig isoliert vorgekommen sein mag, so konnte er doch richtig stolz auf seinen Arbeitsplatz, nämlich auf die evangelische Stadtkirche Sankt Michael, sein.
Sie bildet das Zentrum einer Kirchenburg, übrigens einer der größten Deutschlands mit Baubeginn Anfang des 15. Jh.s, wie die begeisterte, nimmermüde Stadtführerin dem Schweinfurter Pfarrerkapitel zu verdeuteln versuchte. Ist denn unsere Kirchenburg St. Michael in Gochsheim mit ihren Gaden drumherum, deren 500-jähriges Bestehen wir erst im letzten Jahr begangen haben, keine Fußnote wert? Zudem soll der heilige Ostheimer Michael „ein Denkmal von nationaler Bedeutung“ sein, betonte die Dame weiter und ließ die Dekanatsgeistlichkeit an die Decke und auf das dortige Gemälde auf Holzuntergrund gucken, um es dann – kein Scherz! - mit Spielzeugfiguren auf dem Kirchenboden nachzustellen. Es soll den himmlischen Thron Gottes nach der Offenbarung des Johannes zeigen. „Man“ hat’s schließlich einigermaßen begriffen.
Der Abend brach allmählich herein und mit ihm das Hungergefühl. Aber noch galt es, eine satte halbe Stunde bergauf durch Natur pur zu wandern, thront doch hoch über Ostheim, mit phänomenalem Weitblick am Tag hinüber nach Thüringen und in die Hochrhön die Lichtenburg - zwar arg ruinös, aber mit funktionstüchtiger Gastronomie im ehemaligen Rittersaal ausgestattet. Was will unsereiner mehr! Sämtliche Plätze waren für die Dekanatstruppe reserviert, hätten aber für eine mittelalterliche Schlemmermahlzeit sicher zu wenig Bewegungsfreiheit gelassen. Doch auch über die angebotenen Delikatessen gab’s nichts zu meckern: „Gebackener Camembert“ und „Bunter Sommersalat“ waren bezahlbar. Da die meisten ihr Auto tief unten im Stadtzentrum geparkt hatten, mussten sie anschließend den Weg auch wieder bergab suchen und gehen. Wie die Sache ausging, weiß der Berichterstatter leider nicht mehr. Er fiel doch glattweg ins Sommerloch. Gute Erholung allerseits! Bis zum nächsten Konferenz-procedure.