"Festung" Werneck in sicherer Hand

Installation von Pfarrerin Hermine Wieker

Ein gewinnendes Lächeln ist viel wert: Pfarrerin Hermine Wieker

Werneck, 24. Januar 2016. Die Vakanz dauerte genau ein - langes - Jahr. Am 18. Januar 2015 wurde Pfr. Friedrich Lösch in der Schlosskirche verabschiedet (https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/von-der-weite-des-seelsorg... ). Nun wurde an Ort und Stelle seine Nachfolgerin Pfrin. Hermine Wieker installiert.

In Ermangelung eines eigenen Gotteshauses sind die Evangelischen in der Schlosskirche Gäste, weshalb zunächst einmal das Ende der katholischen Morgenmesse abgewartet werden musste. "Hoffentlich ist nicht zu viel Weihrauch im Raum!" Die Befürchtungen einer Kirchenvorsteherin erwiesen sich diesmal als unbegründet. In fliegendem Wechsel wurde das "Gotteslob" gegen das Evangelische Gesangbuch ausgetauscht. Die Vasa sacra von der Eucharistiefeier wurden in die Sakristei gebracht und stattdessen ein Kniekissen für die Segnungshandlung vor den Altar gelegt. Auf die Orgelbank setzte sich Dr. Klaus-Ulrich Schmier, dessen Frau Ulrike die Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes ist. Letzte Unklarheiten bezüglich des Einzuges des KV und der Geistlichen - leider waren die meisten wegen eigener Gottesdienste verhindert - wurden durch Dekan Oliver Bruckmann ausgeräumt. Alles klappte wie aus dem Lehrbuch.

Nach Verlesung der landeskirchlichen Urkunde zur Übertragung der Pfarrstelle Werneck ab dem 1. Januar 2016 im Umfang von 75 Prozent, zuzüglich 25 Prozent als Seelsorgerin in den Wernecker Kliniken, adressierte der Dekan die neue Pfarrerin ganz persönlich: „Es ist sehr schön, dass Sie da sind“. Dazu zitierte er das Prophetenwort: „Der Herr hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen ...“ (Jesaja 61,1). Es beschreibe zwar unser aller Auftrag, denn jede und jeder, die/der getauft sei, habe einen Sendungsauftrag. Aber einige – und damit meinte der Dekan die Geistlichen – hätten diesem Auftrag öffentlich nachzukommen durch den Dienst der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung. Oft genug sei jedoch das Zuhören-Können wichtiger, als fertige Antworten geben zu wollen. Es gelte, „Gottes Ohr zu repräsentieren“ - dies vor allem natürlich im Seelsorgebereich.

Bruckmann dankte den Vakanzvertretern, insbesondere Pfarrerin Susanne Rosa für ihren Klinikdienst und Pfarrer Ivar Brückner für die Pfarramtsführung. Auch Frau Dr. Schmier würdigte Brückner beim anschließenden Empfang: Er habe die Aufgabe „heldenhaft gemeistert“ und „standhaft die Festung gehalten“. Seine Belohnung: ein halber Meter Wernecker Bier!

Doch zurück zum Gottesdienst: Unter Assistenz von KirchenvorsteherInnen wurde Pfrin. Wieker feierlich installiert und dazu gesegnet. Dann lauschten alle ihrer ersten Predigt, der ein Paulus-Text zugrunde lag: „Wisst ihr nicht, dass die, so in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer (nur) empfängt den Siegespreis. Lauft so, dass ihr ihn erlangt“ (1. Korinther 9,24ff.):

Von Kindheitsbeinen an gehe es im Leben ums Gewinnen, weshalb es immer offene bzw. geheime Konkurrenz gebe. Auch das Paulus-Wort klinge zunächst so, als ob christliche Nachfolge ein Wettrennen um die ersten Plätze im Paradies bedeute. Nein, es handele sich um keinen Frömmigkeitswettbewerb. „Selbstzufriedene Arroganz ist keine christliche Lebenshaltung.“ Wettkampf im Glauben sei vielmehr „ein Kämpfen in Verantwortung vor Gott mit den Mitteln und Fähigkeiten, die wir von ihm haben.“ Gott fungiere als Trainer, aber nicht als Wettkampfrichter. Und die Pfarrerin ergänzte: In der Kampf-(Lauf-)bahn des Lebens müsse man sich im Dienst an anderen bewähren. Von daher sei es ein „Spiel mit Teamgeist“: etwa anderen mit aufzuhelfen, wenn sie hingefallen sind. Auf diesem Lebensweg würden wir folglich nie fertig. Aber als Ziel winke ein unvergänglicher Kranz - „ein Leben in Verbindung mit Gott“ -, und den würde garantiert nicht nur einer gewinnen.

Zum bereits erwähnten Empfang war ein zehnminütiger Fußweg erforderlich, denn das evangelische Gemeindehaus befindet sich im Pfarrhaus an der Wern. Den hier nur auszugsweise wiedergegebenen Grußwortreigen eröffnete die Erste Bürgermeisterin von Markt Werneck Edeltraud Baumgartl: Mit Hermine Wieker übernehme zum ersten Mal eine Frau das hiesige Pfarramt und damit ein großes Diaspora-Wirkungsfeld. Aber Baumgartl gab sich zuversichtlich: „Jeder Mensch übt sein Amt etwas anders aus.“

Für die katholische Pfarrei „Mariä Himmelfahrt“ gleich nebenan beschwor Pater Dr. Vincent Moolan Kurian, mit der Pfarrerin schon per Du, die Einheit der Christen: Jesus Christus sei der ökumenische Generalschlüssel Gottes, und zwar der Schlüssel, der zu den Herzen aller Menschen passe. „Dieser Schlüssel ist uns Christen gemeinsam anvertraut.“

Für die Pfarrerschaft des Dekanates Schweinfurt sprach die Stellvertretende Seniorin Pfrin. Christhild Grafe: „Wir freuen uns schon auf Ihr Salz, das Sie ins Pfarrkapitel hineinbringen.“

Von eigens angereisten Vertretern ihrer früheren Gemeinde in Augsburg war zu erfahren, dass Pfrin. Wieker eine „begnadete Handwerkerin“ sei, auch wenn schon mal nach einem ihrer Reparaturversuche ein Handwerkertrupp mit Blaulicht hat anrücken und das offene Wasserrohr professionell abdichten müssen.

Am Ende bedankte sich die Neue für die freundliche Aufnahme und nahm zusammen mit ihrer Frau, Lebenspartnerin Anette Kuhn, Blumen und viele ortstypische Präsente entgegen. Der Kirchenvorstandschor animierte das Plenum, mit einzustimmen in ein eigens gedichtetes, beschwingtes Lied: „Wir singen dir mit hellem Ton und gratulieren zur Installation.“

Jedenfalls gut zu wissen: Die „Festung“ Werneck ist weiterhin in sicherer Hand; jedweder Baufall wird fachfraulich gemeistert.

 

Hier noch Infos von der Pfarrerin selbst:

"Ich bin 48 Jahre alt und ziehe nicht alleine ins Pfarrhaus, sondern mit meiner Lebenspartnerin, mit der ich seit drei Jahren verpartnert bin. Ursprünglich komme ich aus Regensburg, habe aber schon lange die Oberpfalz verlassen. Studiert habe ich in Erlangen, im Vikariat war ich in Nürnberg, im Anschluss daran habe ich ein Auslandsvikariat in Bath / Südwestengland gemacht, danach war ich im Dekanatsbezirk Kitzingen und nun die letzten acht Jahre in Augsburg. [...]

Ich bin gespannt, welche neuen Aufgaben bei Ihnen auf mich warten. Die Diaspora ist für mich keine neue Situation, wie Sie den verschiedenen Stationen meiner bisherigen Laufbahn entnehmen können. [...] Da, wo wir wenige sind, rücken wir zusammen und sind gerne und bewusst evangelisch. [...]

Mit der Krankenhausseelsorge wartet ein in dieser Form neues Arbeitsfeld auf mich. Im Augenblick mache ich die dazu nötige Fortbildung. Ich arbeite mich also schon intensiv ein. So bin ich schon lange vor dem eigentlichen Ankommen in Werneck mit der Gemeinde verbunden."

(aus: Gemeindebrief Evang.-Luth. Kirchengemeinde Werneck Dez. 15- Febr. 16, S. 3)

 

Sodann noch Auszüge aus einem Interview mit Pfrin. Wieker in der Presse: "So bin ich, so wollte mich Gott":

Frage: Frau Wieker, Sie werden mit ihrer Frau ins Pfarrhaus einziehen. Welche Reaktionen haben Sie darauf bislang bekommen?

Wieker: Ganz gute. Aber natürlich höre ich auch, dass viele sehr gespannt auf mich sind. Allerdings ist das bei Neubesetzungen immer so, denke ich. Dass durch meine Lebenssituation noch mal mehr Fragen auftauchen, das glaube ich gerne. Aber ich hoffe, dass die Leute offen sind und sagen: „Jetzt schauen wir einfach mal, wer da kommt“. In Augsburg habe ich damit ganz gute Erfahrungen gemacht. Und das lag nicht nur daran, weil es eine Großstadt war. Auch dort gab es Leute, die gesagt haben „Oh, das ist jetzt aber überraschend und komisch“. Sie haben mich dann als Pfarrerin kennengelernt – und es war okay. [...]

Pfarrerin und lesbisch sein – war das für Sie persönlich je ein Widerspruch?

Wieker: Das ist eine Riesen-Frage. Ich musste mich natürlich damit auseinandersetzen. Aber ich habe die Menschenfreundlichkeit Gottes erlebt und weiß: So bin ich, so wollte mich Gott und er bejaht mich. Und von dieser Menschenfreundlichkeit Gottes sage ich gerne weiter. [...]

Nach acht Jahren Augsburg nach Werneck – warum eigentlich? Hatten Sie plötzlich Lust auf ein Leben auf dem Lande?

Wieker: Für mich als Pfarrerin war immer klar, dass ich irgendwann wieder die Stelle wechseln würde. Und weil meine Frau in Würzburg arbeitet und auch gerne dort bleiben wollte, war die Gelegenheit einfach gut, weil das hier in Werneck eine wirklich interessante Stelle ist. Es hat jetzt einfach gut gepasst.

Was hat Sie an der Stelle so gereizt?

Wieker: Ich werde neben der Gemeindearbeit auch Krankenhausseelsorgerin im Bezirkskrankenhaus sein. Das ist für mich noch mal ein völlig neuer Aspekt. Als Gemeindepfarrerin gehe ich natürlich auch ins Krankenhaus, aber das wird – auch weil es ein psychiatrisches Krankenhaus ist – ein ganz neues Feld, dass ich erkunden kann. Dafür mache gerade auch den sogenannten KSA-Kurs, das steht für Klinische Seelsorgeausbildung. Eine richtig gute Fortbildung, die mir auch für die Seelsorge im Allgemeinen viel bringt. Man lernt auch über sich selber ganz viel. [...]

Die Krankenhausseelsorge ist auch deshalb möglich und nötig, weil die Wernecker Pfarrstelle „nur“ eine 75-ProzentStelle ist. Ihre neue Gemeinde wird bedeutend kleiner sein als die alte...

Wieker: Stimmt, sie ist mit gut 1000 Mitgliedern ein bisschen übersichtlicher als die letzte, wo wir mit zwei Pfarrstellen 5000 Leute in vier Kirchen betreut haben. Das kann aber auch sehr schön sein, weil man sich untereinander kennen kann. Das wird bei 5000 Leuten eher schwierig. Meine Erfahrung ist, dass gerade dort, wo wir nur wenige sind, sich die Leute besonders für ihre Kirche engagieren. Weil sie eben wissen: Wenn sie nichts tun, passiert auch nichts. Und dabei als Pfarrerin die Gemeinde zu unterstützen, zu leiten und auch gemeinsam neue Wege zu gehen, ist eine Aufgabe, auf die ich mich freue.

(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 23. Jan. 2016, S. 32; das Interview führte Nike Bodenbach)